Interview mit Basslegende Nathan East

Freelancer's Delight - Ein Meister unter 4 Augen

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Das Interview

?PG: Du bist seit langer Zeit Yamaha Endorser, eine Verbindung aus der insbesondere einige NE-Signature-Bässen hervor gingen - wie genau kam diese Beziehung zustande?

!NE: Es bagann vor über 20 Jahren in den 80ern. Damals spielte ich in einem Club namens Pit-Inn in Tokio/Roppongi. Hagi, der zu jener Zeit die Gitarrenabteilung bei Yamaha betreute, gab mir einen wundervollen 5-Saiter Bass in die Hände und ich sagte: "Hagi, dieser Bass muss unbedingt mit mir nach Hause kommen...". Es war Liebe auf den ersten Blick und der Beginn einer langen Zusammenarbeit. Wir arbeiten in der Yamaha Entwicklungswerkstatt in L.A. kontinuierlich an neuen Ideen. Mein Bass muss universell einsetzbar sein, und sowohl im Studio als auch auf der Bühne einen guten, stressfreien Job abliefern. Mit meinem neuen NE-II Signature Bass bin ich sehr glücklich. Er bietet mir alles, was ich brauche: eine hervorragende Bespielbarkeit, einen erstklassigen, superflexiblen Sound und ein zuverlässiges Handling.

?PG: Verwendest Du die originale Elektronik und Pick-Ups, oder sind Deine persönlichen Modelle modifiziert?

!NE: Ich verwende das ganz normale Set-Up - keine Modifikationen. Die Qualität der Serien-Instrumente ist gleichbleibend gut und so kann ich jeden Yamaha- Bass nehmen - egal wohin ich auch gehe. Spiele ich z.B. eine Studiosession in New York, stellt Yamaha dort einen Bass zur Verfügung und ich kann ihn direkt verwenden.

?PG: An welchen Projekten hast Du in jüngster Zeit gearbeitet?

!NE: Ich spielte Bass-Parts für Stevie Wonders neues Album, habe an einem neuen Motown Projekt mit Michael McDonald mitgewirkt und einige Tracks für KebMo eingespielt. Dann habe ich eine Lehr-DVD fertiggestellt, die demnächst unter dem Titel "the business of bass" erscheinen wird. Die Initialzündung für die DVD gaben die Fragen, die mir während meiner Clinics und Seminaren in schöner Regelmäßigkeit gestellt werden. Also entschloss ich mich eine DVD zu produzieren, die meine Intuition und meine Instinkte beschreibt und so ein Bild davon vermittelt wie ich als Bassist spiele und arbeite. Für die DVD habe ich Interviews mit vielen Künstler und Produzenten geführt und sie z.B. nach ihrer Meinung über die Rolle des Basses in ihren Produktionen gefragt ?" Dabei sind unter anderem Interviews mit Eric Clapton, Phil Collins, Quincy Jones, Babyface, Lionel Richie, David Foster - viele der besten Künstler und Produzenten. Parallel dazu enthält die DVD noch Filmmaterial von Fourplay und zusätzliches Lehrmaterial. Sie wird bei Hal Leonard erscheinen.

?PG: Konntest Du irgend welche neuen Erkenntnisse aus den Interviews für die DVD gewinnen?

!NE: Nachdem ich alle diese Leute seit so langer Zeit kenne - nicht wirklich! Ich wußte, was mich erwarten würde. Einige sagten sie wollen den Bass eher fühlen, als hören. Jeder sprach von Groove, Einfachheit, und vielen kleinen wertvollen Dingen. Unterm Strich wurde klar, dass seine unterstützende Natur dem Bass nicht wirklich die Chance gibt häufig in den Vordergrund zu treten. Leute wie Jaco (Pastorius) bleiben da die Ausnahme.

?PG: Basis Rhythm-Section Arbeit war dann auch das Kernmotto bei der Eric Clapton Show. Weder Bass-, noch Drumsolos. Steve Gadd zeigte mal wieder deutlich, was man unter "laid back" groove versteht.

!NE: Das Zusammenspiel mit Drummern ist wie konstante Interpretation. Jeder Drummer platziert den Beat etwas anders. Manchmal zieht Steve (Gadd) nach hinten, oder besser, es klingt als würde er nach hinten ziehen. Dann muß ich wirklich fokussieren und auf die Hi-Hat hören - oder mit was auch immer er gerade die kleinsten Takteinheiten spielt. Steve hat einen Drumsitz der den Bass überträgt. Anstatt ihn aus dem Monitor zu hören, spürt er den Bass direkt in seinem Sitz und kann so jede Note fühlen die ich spiele - für mich eine große Herausforderung stets zu versuchen perfekt mit ihm zusammen zu bleiben.

?PG: Obwohl Ihr mit Eric Clapton in sehr großen Hallen mit schlechter Akustik spielt, verwendet Ihr dennoch normale Monitore und kein In-Ear-System.

!NE: Ja, es erfordert genaues Hören und hohe Aufmerksamkeit. Ich habe einen Wedge vorne am Mikrophon und einen hinten an meiner Backline. In beiden Monitoren sind die Drums ziemlich laut. Zwischen den Monitoren gibt es eine tote Zone, da höre ich aber die Drums akustisch auf der Bühne. Ich bin also nie weit von den Drums entfernt. Wie auch immer: Es ist jede Nacht ein Kampf mit dem Sound. Man kommt aus einer Probensituation mit guter, trockener Akustik und gerät in etwas vollkommen anderes. Es ist konstantes justieren. Man lernt niemals auf "Autopilot" zu schalten. Du musst stets jeder Note Aufmerksamkeit schenken, sonst verlierst Du den Anschluss. Manchmal konzentriere ich mich darauf sehr einfach zu spielen - gerade in Hallen deren Akustik wenig Definition bieten.

?PG: Mit Phil Collins dagegen habt Ihr alle mit In-Ear Monitoring gearbeitet?

!NE: Ja, es gab einen Unterschied. Auf der letzten Phil Collins Tour hatten wir eine runde Mittel-Bühne auf der wir alle ständig herumgelaufen sind. Ohne In Ear Systeme wird es da schwierig. Ich hatte einen Sender am Bass, ein Sendermikro, Sender-In-Ear - ich sah aus wie Robocop :o)). Aber es hat riesigen Spaß gemacht und es war ein komplett anderes Show-Konzept als bei Eric.

?PG: Ist es nicht manchmal ein wenig beängstigend einen detailierten, studioartigen Sound auf der Bühne zu haben, bei dem man jedes Detail hören kann?

!NE: Ja, ich persönlich bevorzuge eher den "live" Sound. In-Ear ist zu studioähnlich und Du bekommst kein Gefühl für Dimension. Wenn du dich bewegst hast du keine Kontrolle über den Sound. Er ist immer gleich, wo immer Du auch auf der Bühne stehst. Bei normalem Monitioring dagegen verändert sich der Sound mit jeder neuen Position, die du einnimmst und es gibt Dir eine neue Perspektive und einen besseren Eindruck darüber, was von dem Sound nach draußen geht.

?PG: Dein Leben ist ziemlich straff organisiert. Du hast eine Assistentin zuhause, die Deine Studio-Session-Termine koordiniert, während Du noch auf Tour bist. Berücksichtigt man dabei eigentlich, dass Du zwischen Kontinenten reist, mit Jet-Legs zu kämpfen hast, Dich um Deine Familie kümmern willst, zwischen Live und Studiosituation hin und herschalten und - ganz nebenbei auch noch die Erwartungen der größten Namen in der Musikindustrie erfüllen musst - wie schaffst Du es eigentlich Dich so schnell auf die jeweilige Situation einzustellen?

!NE: Nun, manchmal ist man schon etwas erschöpft. Trotzdem schaffe ich es seit Jahren im Notfall zwischen fünf Kontinenten in vier Tagen hin und her zu reisen, ohne zusammen zu brechen. Um dies zu erreichen habe ich ein kleines System aufgebaut. Ich versuche die Nacht vor der Reise wach zu bleiben, dann schlafe ich im Flugzeug und wo immer ich aussteige gehe ich zur dortigen Nachtzeit ins Bett. Das hilft dabei sich schneller umzustellen. Trotz allem - es ist hart für den Körper.

?PG: Wie kriegst Du das eigentlich mit deinem Equipment geregelt- bei all den Studiogigs und Tournee, mit so vielen Ortswechseln? Hast Du strategische Equipment Hauptquartiere über das Land verstreut?

!NE: Ich habe Studio Equipment in L.A. - mehrere Back-Up Systeme. Ich war mit Fourplay im Studio bis zu dem Tag, als ich zu den Clapton Proben nach London abflog. Die Amps mußten aber schon vorher dort ankommen. Dementsprechend benötige ich mehrere Systeme - anders geht es nicht. Ich habe gerade eine E-Mail erhalten, dass ich während einer zweiwöchigen Tourneepause wieder für Michael McDonald gebucht bin. Also wird eines der in L.A. geparkten Setups dorthin gehen. Und dann gibt es natürlich noch, wie bereits erwähnt, Yamaha. Wenn ich ein Instrument in New York benötige, dann sorgen die Jungs dafür das dort ein Bass für mich bereitsteht. Da ich meistens ohnehin mit dem Basssignal direkt ins Pult gehe, brauche ich häufig auch nicht wirklich mehr mitzubringen als einen Bass. Und da ist es egal ob ich in London, Tokio, L.A., New York, etc. bin. Gott sei Dank habe ich ein einfaches Set-Up. Andernfalls wäre es auch ein Albtraum das Zeug jedes Mal durch den Zoll bringen zu müssen - und so weiter.

?PG: Du bist häufig sehr lange auf Tournee und musst daher sicher auch einen großen Anteil von Angeboten ablehnen?

!NE: Ja - und manchmal tut es richtig weh. Speziell dann, wenn Du sehr gerne mit jemandem zusammengearbeitet hättest. Zwei aktuelle Beispiele: Ich mache jedes Jahr ein Benefizkonzert mit Sting für die Rainforest Foundation in der Carnegie Hall. Dieses Mal mußte ich es absagen, weil der Termin mit der Clapton Tour kollidiert. Ein weiteres Konzert für Muhammad Ali, mit Celine Dion, musste ich ebenfalls absagen. Das erste Mal passierte mir so etwas 1983/84, als ich mit Kenny Loggins auf Tour ging. Am Abreisetag rief mich Quincy Jones an, um mich für Michael Jackson zu buchen. Ich war dem Sterben nahe: "Was sollte ich tun?" Ich musste lernen damit umzugehen - du kannst nicht überall sein.Glücklicherweise hatte ich später die Chance für Quincy zu arbeiten und Freundschaft zu schließen.

?PG: Bist du wegen deiner über die Jahre gewachsenen Reputation, während eines Jobs schon einmal mit übersteigerten Erwartungen konfrontiert worden?

!NE: Oh ja, die Erwartungen sind immer hoch. Als erstes muss einem klar sein: Wenn Dich die echten Top -Leute im Business für einen Job wollen, dann könnten sie eigentlich auch jeden anderen Bassisten auf der Welt buchen - aber sie haben Dich ausgesucht. Hoffentlich war es nicht aus Zufall, oder weil gerade keiner der anderen verfügbar war (lacht). Dieses Wissen alleine genommen zeigt schon: Wenn man in eine solche Session geht, dann sind die Erwartungen sehr hoch. Und ob du es glaubst oder nicht: Ich arbeite auch heute noch an meinem Ruf. Besonders in Verbindung mit Künstlern für die ich vorher noch nicht gearbeitet habe. Gott sei Dank ist die Musikbranche in dieser Hinsicht klein und die Leute reden miteinander. Wenn Produzenten wie David Foster, Quincy Jones oder Babyface Lobgesänge über Dich verbreiten und Dich weiter empfehlen, dann ist das schon eine feine Sache.

?PG: Wie bist du eigentlich zu Beginn Deiner Karriere mit Situation umgegangen in denen höchste Erwartung an dich gestellt wurden? Selbst mit der Gewissheit in der Lage zu sein diese Erwartungen zu erfüllen, warst du doch sicher ziemlich nervös, oder?

!NE: Oh ja, ich habe allerdings sehr schnell die Erfahrung gemacht, dass sich die Zusammenarbeit mit Menschen, deren Fähigkeiten sich ebenfalls auf einem hohen Level ansiedeln , sehr positiv auf das eigene Spiel auswirkten. Ich hatte das unglaubliche Glück immer von Top-Leuten umgeben zu sein: Jeff Porcaro, Steve Gadd, John Robinson, Larry Carlton, Lee Ritenour, Eric Clapton, Phil Collins, und plötzlich weiß man - jedes mal wenn Du eine Note spielst sorgst Du bessser dafür, dass sie die erste Wahl ist - denn schließlich wird sie für immer und ewig da sein. Es geht darum sich mit dieser Situation anzufreunden und letztendlich darin wohl zu fühlen. Wenn man es dann oft genug gemacht hat, wird es schließlich zur Gewohnheit. Letztendlich möchte in einer solchen Situation jeder der Beteiligten , dass Du gewinnst! Auch wenn es Sessions gibt, bei denen man eine harte Zeit hat - generell gesehen - wenn Du all diese guten Leute in einem Raum versammelt hast - will jeder mit dem Gefühl herausgehen "das war großartig!" Selbst heute, nach all den Jahren, ist es genau das, was am aufregendsten ist: Ein paar Leute in einen Raum zu stellen, die Aufnahmetaste zu drücken und etwas Aufregendes aufzunehmen.

?PG: Du hast bei Clapton wieder viel Backing Vocals gesungen, was zur großen Frage führt: Wie schaffst Du den Balanceakt zwischen spielen, singen, Texte behalten, Stimme und Instrument koordinieren?

!NE: Die Proben haben einige Wochen gedauert. Trotzdem ist es immer noch "tricky" und ich muss mich ziemlich konzentrieren - speziell weil ich nun den 6-Saiter benutze. Wenn Du Dich auf das Singen konzentrierst, dann muss das Bassspielen automatisch ablaufen, ohne nachzudenken und natürlich auch umgekehrt. Paul McCartney und Sting zählen, was Bass spielen und singen angeht, definitiv zu meinen Helden.

?PG: Du hast einiges an neuer Ausrüstung auf der Bühne dabei?

!NE: Nachdem ich viele Jahre Eden Anlagen eingesetzt habe, verwende ich seit Kurzem ein Aguilar 750 Topteil, ein ziemlich neuer und wirklich guter Amp mit Röhrenvorstufe und Transistor Endstufe. Parallel dazu verwende ich eine 4x10" Aguilar Box. Während der Proben kamen die Jungs von AccuGroove und zeigten mir eine ziemlich anspruchsvolle Box namens "El Whappo". Die mochte ich so sehr, dass ich sie jetzt zusätzlich zur Aguilar Box einsetze. Außerdem verwende ich Röhren Direct Boxen von Avalon (U5) und Korg Stimmgeräte.

?PG: Irgendwelche neuen Beobachtungen, oder Erkenntnisse in der Musik Industrie?

!NE: Nur, dass es konstante Veränderung gibt - nicht immer zum besseren natürlich. Die Herausforderung die bleibt, ist stets nach vorne zu schreiten und die Integrität für die Musik zu bewahren - denn es entwickelt sich so stark in Richtung Business und Promotion, dass die Kunst mehr und mehr in den Hintergrund tritt und Image zum wichtigsten Faktor wird. Ich meine: Natürlich war es schon immer irgendwie so, aber heutzutage ist ein Künstler in einem Jahr sooo groß und in zwei Jahren komplett verschwunden. In dieser Hinsicht ist es ein komplett anderes Business geworden. Früher entwickelten sich Musiker mit Langzeitkarrieren wie Eric (Clapton), Sting, Phil Collins, etc., und ich hoffe wirklich, dass Künstler mit Potential weiterhin eine Chance bekommen und gesigned werden.

?PG: Spürst Du eine andere Stimmung bei Aufnahmesessions, im Gegensatz zu früher?

Fourplay

!NE: Definitv, es ist eine andere Stimmung. Aber als Sessionmusiker zu arbeiten, bedeutet immer das man sich mit Veränderungen anfreunden muss und in "Zwängen" lebt und spielt. Deswegen fühlte ich mich so privilegiert und glücklich, als ich mit den Jungs von Fourplay zusammenkam und eine Band gründete, in der wir uns nicht um zu viele Regeln kümmern mußten und einfach nur Spaß haben konnten. Wenn wir was verkaufen können, wenn wir live spielen können, ist das ein Bonus, den man gerne mitnimmt. Das Wichtigste ist aber das die Arbeit mit der Band stets eine Gelegenheit darstellt aus dem Alltag herauszutreten. Dann allerdings, sobald Du etwas verkaufst, versuchen die Firmen sich wieder einzumischen.... Na, ja, so ist das nun mal. Trotzdem bin ich sehr glücklich hier zu sein, jeden Tag zu tun zu haben und es ist immer noch eine Tätigkeit, die ich sehr genieße.

?PG: Ist das neue Fourplay Album abgeschlossen?

!NE: Es ist fast fertig. Wahrscheinlich wird es nach einem Song benannt, den ich beigesteuert habe und auf dem ich auch singe: "Journey". Das Album ist wie eine Reise durch verschiedene Stilrichtungen. Ich denke es wird im Juni/Juli 2004 bei BMG/RCA veröffentlicht.

?PG: Vielen Dank, dass Du Dir so viel Zeit für dieses aufschlussreiche Gespräch genommen hast.

!NE: War mir ein Vergnügen, ich habe zu danken. Viel Glück und Erfolg mit Eurem Magazin Planet-Guitar

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