Roland VGA-7 Virtual Guitar Amp

Ein Test von Hansi Tietgen

Schon Ende der 70er bewies die Firma Roland mit Amps wie dem legendären Jazz Chorus oder der günstigen Cube Serie, dass sich auch Transistor und Mos-Fet Schaltkreise zum erzeugen erstklassiger Gitarrensounds eignen. In den 90ern gelang den Roland Sound-Designern mit dem VG-88 Pedalsystem ein weiterer grosser Wurf in Sachen alternativer Klangerzeugung. Das auf der Composite Object Sound Modeling Technik, kurz COSM, basierende virtuelle Amp-Modeling, sorgt seit dieser Zeit auch in Geräten wie dem brandneuen Boss ME-33 oder der Effektsektion des VS-890 Harddisk-Recording Systems, für authentische Gitarrensounds aus dem Cyberspace.

Die Klangerzeugung

Das wirklich neue am VGA-7 Amp ist nicht alleine die Tatsache, dass man hier die realistischen COSM Sounds in einem kompakten Combo-Amp untergebracht hat, sondern das Roland hier zwei grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen in einem Gerät kombiniert. Man kann die Klangerzeugung des Amps in zwei Bereiche einteilen: Die COSM Guitar Section und die COSM Amp Section.

Die COSM Guitar Section: Um sich den mannigfaltigen Möglichkeiten dieser Sektion hingeben zu können, benötigt man zunächst einmal eine Gitarre die mit einem hexaphonischen Zusatz-Pickup ausgerüstet ist. Solche Picks gibt es von verschiedenen Herstellern als recht preiswertes Zubehör (z.B. Gk-2A von Roland). Der Tonabnehmer versorgt den GK Eingang des VGA-7 Amps mit den zur Berchnung der einzelnen Funktionen nötigen Informationen über Tonhöhen und Hüllkurven. Das Wirkprinzip ist dabei grundsätzlich so, wie man es schon vom VG-88 her kennt. Die COSM Guitar Abteilung simuliert Gitarren-Typen und ihre wichtigsten klanggebenden Bestandteile. Mit dem Type-Taster lassen sich 6 verschiedene Soundansätze anwählen, als da wären: Strat (ST), Les Paul (LP), Tele (Tel), Halbresonanz, Akustik-Gitarre und -im Special Bereich- 8 unterschiedliche Synthie-Sounds. Die Variations-Funktion entlockt jedem der Basissounds weitere Spielarten. So simuliert der Amp nicht nur grobe Unterschiede, sondern auch Feinheiten wie zum Beispiel die Pick-Up Bestückung. Im Strat Mode hat man die Möglichkeit zwischen der klassisch passiven 3-Single Coil Version, der aktiven Variante und einer modernen S-S-H Bestückung zu wählen (Single Coil-Single Coil-Humbucker).

Auch im LP-, Tele- und Hollow- Modus hält der Amp jeweils satte drei Soundvarianten zur Auswahl bereit. Besonders interessant wird es in der Akustik-Abteilung. Die absolut realistische Abbildung des Sounds akustischer Gitarren, teilt sich in vier Untergruppen ein: Standard- für eine "normale" Dreadnought Westernstyle Gitarre, Round- für eine akustische Gitarre mit flacher Decke und gewölbtem Boden (Ovation_Style), Metal- für Dobrosimulationen und -als Zugabe- Banjo und Ukulele (um als virtueller Raab zu protzen!).

Als kleines Sahnehäuchen kann man, anhand des Pickup Wahltasters, sogar den jeweils aktiven Tonabnehmer anwählen. Prozessorsimuliert, versteht sich! Ähnliches gilt auch für die Akustik Sektion. Hier hat man die Wahl zwischen einem virtuellen Piezosound und der Version Mikrofonabnahme.

Aber der VGA-7 kann noch mehr: Die COSM Guitar Section simuliert sogar alle gebräuchlichen Gitarren-Tunings. Egal ob "gefakte" 12-String, Nashville Tuning, oder diverse gebräuchliche offene Stimmungen, wie Open D oder Open G. Der Amp macht es möglich. Und das absolut authentisch und in Echtzeit. Und selbst an die ganz harten Jungs haben die Roland Ingenieure gedacht: Denn auch das, im Augenblick mehr denn je angesagte Dropped D Tuning, ist für den kalifornischen Tausendsassa kein Thema. Überzeuge dich doch selber von der Qualität der Simulation und hör dir das entsprechende Beispiel im PG Gear Check an. Der Amp bietet übrigens auch die Möglichkeit, eigene Tunings zu programmieren. Der eigenen Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Den Abschluß der Guitar-Sektion bildet der Capo-Taster. Nach der Anwahl der Funktion simuliert die COSM Technik ein virtuelles Capodaster, das sich an jedem gewünschten Bund des gewählten Gitarren-Models anbringen lässt.

Wir haben dir einmal einige der interessantesten Presets zusammengestellt. Die Tracks enthalten die simulierten Gitarren-Modelle aus der COSM Guitar Section sowie den Amp-Modellen der COSM Amplifier Abteilung.

Übrigens: Die Gitarre, die ich zum Einspielen der Audios verwendet habe, war eine Godin LGX-SA, mit unsichtbar in der Brücke integrierten L.R. Baggs Tranducer Reitern. Also dann: Drücke die Play-Buttons und harre der Dinge die da kommen!

 

VGA-7 Best Of Patches als MP-3s zum Download
Berühmter 12-String Akustik-Gitarren Sound
Klassische Nylon-String Gitarre
12-String Gitarre in AC-30 für typischen Brit Rock-Sound
Classic-Strat Bridge Pick-up in Marshall 1987
Virtuell um einen Ganzton nach unten gestimmt =Heavy Brett

 

Die COSM Amplifier Section:

Diese Abteilung ist, sowohl für die "hexaponischen" Benutzer, als auch für Normal-Gitarreros ein Thema. Steuere ich den Amp ausschließlich mit einem hexaphonischen Pickup an, liefert die COSM Amp Section, alle nötigen Amp bzw.Speaker Simulationen. Aber man kann die Amp-Ebene des VGA-7 auch auf die ganz traditionelle Weise mit einer Standard Gitarre und einem Klinkenkabel ausgerüstet betreiben. Auf diese Art angesteuert, funktioniert der Amp wie ein ganz normaler Modeler. Alle Funktionen sind intuitiv bedienbar und gleichen dem, was man von jedem gemeinen Gitarrenverstärker her kennt. Ähnlich wie auch schon in der "Gitarren-Abteilung" stellt der Verstärker auch in der Amp-Sektion sechs Basis-Sounds, plus diverser Variationen, zur Verfügung. Anhand des Type-Tasters lassen sich die unterschiedlichen Grundsounds des Amps aufrufen (Clean,Crunch, Lead, Special, Full Range).

Die Clean Sektion unterteilt sich in insgesamt vier Variationen zum Thema: JC, der klassische Sound eines Roland JC-120. Classic 1 -Amerikanischer Clean Sound im Stil des Fender Twin Reverbs. Classic 2- Angelehnt an den cleanen Kanal des legendären Vox AC-30. Mellow- Jazz Fans schätzen den warmen, vollen Ton des Polytone Amps.

In Sachen Crunch Sounds sieht das Angebot folgendermaßen aus: Classic 1- Angezerrter Fender Bassman Sound, Classic 2- Crunchy Vox AC-30, Classic 3 - transparenter Sound im Stil eines leicht übersteuerter Fender Twin Reverbs, Modern- Sehr vielseitiger, offener Sound; angelehnt an die Klangcharakteristik des edlen Matchless Amps.

Das Lead Modul wartet mit folgenden Soundvarianten auf: Classic 1- Eingang I eines stark übersteuerten Marshall Amps. Classic 1+2 - Derselbe Amp, wobei hier beide Eingänge gleichzeitig betrieben werden, eine Tatsache die dem Sound ein zusätzliches Quentchen Bass-Anteil entlockt. Modern 1- Mesa Boogie im Vollbetrieb, Modern 2- vielseitiger High-Gain Sound, der sich für zahlreiche Musikrichtungen eignet. Metal 1 - Röhriger High-Gain Sound für Freunde der härteren Gangart. Metal 2 - Heavy Sound mit starkem Obertonanteil.

Unter dem Label Special liefert der VGA-7, neben den eben beschriebenen Basis-Sounds, auch Kombisounds verschiedener Amp-Typen: Layer 1 kombiniert den Sound eines cleanen Line Signals mit einem angezerrten Sound. Layer 2 arbeitet ähnlich, kombiniert aber einen cleanen Amp- , mit einem verzerrten Sound. Bei der dritten Variante der Abteilung Special handelt es sich um die Simulation des typischen Fuzz-Sounds eines Transistorverstärkers. Diese Kombifunktion läßt sich allerdings nur mit einer Gitarre geniessen, die sowohl mit einem GK Pickup, als auch "normalen" magnetischen Tonabnehmern ausgestattet ist.

Seinen Abschluß findet die Amp Sektion in der integrierten Speaker Simulation. Anhand des Type-Wahltasters hat man die Möglichkeit zwischen 4 unterschiedlichen Speakern und damit verbundenen Gehäuse-Bauweisen zu wählen. Zur Auswahl stehen hierbei:

Die Effektabteilung

Auch in dieser Hinsicht ist das Angebot mehr als nur komplett. Die Sektion teilt sich in vier Unterebenen, die man durch das Betätigen von jeweils zugeordneten Tastern scharf schalten kann. Insgesamt vier der mitgelieferten Effekte lassen sich gleichzeitig betreiben. Die erste Ebene bietet Effekte wie Wah, Slow Gear (läßt gespielte Töne langsam anschwellen), Compressor, Tremolo, Phaser und Flanger.

Ebene 2 sorgt für das nötige Delay. Besonders angenehm ist die integrierte Tap Funktion, die die schnelle Anpassung der Delay-Time an das Tempo des Songs unterstützt, bei dem der Delay-Effekt zum Einsatz kommen soll(durch rhythmisches Drücken des Tap-Tasters). Auch beim Delay greift übrigens die Variations-Funktion. Nach der Betätigung des Variatonsbuttons stehen folgende Delay "Themen" zur Verfügung: Mono-Delay- ein herkömmlicher Delay Effekt im Echo-Stil. Panning- ein Tap-Delay mit seperaten Verzögerungszeiten für den R- und L- Kanal (Stereo-Delay) und last but not least, die Hold-Funktion, die das "Aufnehmen" einer kurzen Phrase ermöglicht (bis zu 1,8 sec.), die dann automatisch als Loop wiederholt wird. Bei Verwendung eines Fußtasters ( Boss FS-5U) läßt sich die Hold-Funktion fernbedienen.

Modul Numero 3 bietet den guten, alten Chorus der sich- ebenfalls durch die Variationsfunktion- in drei Wirkbereiche unterteilen lässt. Hierbei bietet das Label Space die räumliche Breite eines künstlichen Raumes (Stereo Chorus), Warm liefert den Sound eines warmen Zwei-Stufen Chorus und Bright variiert das Thema in einer höhenbetonteren Form.

Für die nötige Räumlichkeit sorgt das Reverb Modul. Auch hier leistet die Variationsfunktion gute Arbeit. Mit Plate, Room und Hall stehen dem User drei der wichtigsten Reverb-Versionen zur Verfügung.

Alle Unterabteilung haben dabei eines gemeinsam. Die Einstellung der Parameter erfolgt auf eine recht simple, benutzerfreundliche Weise. Zum einen bieten die intutiv zu bedienenden Potis in jeder der vier Sektionen die Möglichkeit, wichtige Grundeinstellungen wie Effektintensität oder den Anteil am Gesamtsignal, direkt zu beeinflussen. Bei einigen Effekten stehen weitere Parameter zur Verfügung, die über die Select Value-Tasten in der Master Sektion des VGA-7 eingestellt werden können.

Womit wir beim Thema wären:

Die Mastersection

Hier findet man, neben Standardfunktionskontrollen wie Mastervolumen, Kopfhörer-Anschluß und Power-Schalter, alle systemrelevanten Kontrollen des VGA-7 plus der intergrierten Tuner Funktion des Amps. Um mehr über die diversen Aufgabengebiete der Multifunktionstaster zu erfahren, empfehlen wir dir einen Blick in den PG Gear Check zu werfen. Hier findest du alles, was du brauchst.

Die Praxis

Eigentlich lässt sich das Handling des Amps ohne weiteres mit dem eines normalen Verstärkers vergleichen. Egal ob man sich für die traditionelle Betriebsart mit einer normalen Gitarre, oder für die GK Pickup Version entscheidet. Der VGA-7 bringt es recht schnell auf den Punkt. Der massive Eindruck den der Amps schon im Ruhezustand macht, bestätigt sich auch in der praktischen Anwendung. Egal ob cleane Sounds oder brutale High Gain Fahrt mit Dropped D Tuning. Hier kommt Freude auf. Die beiden Speaker plus integrierter Hochtöner leisten ganze Arbeit und geben das virtuell gezeichnete Bild der einzelnen Ampmodelle plus Boxensimulation sehr realistisch wieder. Hierbei mangelt es dem VGA-7 zu keiner Zeit am nötigen Druck, eine Tatsache die sich auf das Durchsetzungsvermögen des Amps im Bandzusammenhang sehr positiv auswirkt. Und das gilt sowohl für die cleanen- , als auch die verzerrten Sounds. Gerade im "Normalbetrieb" mit einem Standardinstrument sollte ein Ampmodeler dem jeweils verwendeten Instrument Luft zum Atmen geben. Eine Strat sollte also weiterhin wie eine Strat und eine Paula nach Les klingen. Auch dieses Qualitätskriterium erfüllt der Amp meisterhaft.

Wer sich nicht auf vorgebene Patches verlassen will, dem wird der VGA-7 , dank seiner sehr einfachen Bedienung, keine Probleme bereiten. Nach der Betätigung des Manuel-Tasters funktionieren alle Regler des Amps intuitiv, also so wie es ihr jeweiliger physischer Zustand gerade verspricht (Regler auf 10- volles Rohr/ Regler auf 0- Ruhe ist Anm. der Redaktion). So lassen sich die Patches nach eigenem Gusto verändern und auf einm der 80 zur Verfügung stehenden User-Speicherplätze ablegen. So kann man zum Beispiel ohne Aufwand testen, ob eine andere Boxensimulation ein interessanteres Ergebnis liefert, als das im Patch vorgegebene Programm-Muster. Das gleiche gilt übrigens auch für die Effekte. Liefert ein Patch genau den fetten Lead Sound den man sich schon immer erträumt hat, möchte man aber lieber auf den mitgelieferten Chorus verzichten, ist das kein Thema. Einfach den zuständigen EFX-Taster betätigen und schon ist die Sache erledigt. Betreibt man den Amp mit einer, mit einem hexaphonischen Pickup ausgestatteten Gitarre, bleibt der Bedienkomfort eins zu eins erhalten.

Es ist immer wieder faszinierend festzustellen, zu was die moderne Technik doch in der Lage ist. Denn es macht wirklich Spaß von einem absolut authentisch gemodelten 12-saitigen Akustikgitarren-Sound in ein Dropped D getuntes Heavybrett zu wechseln, ohne das lästige "Mitschleppen" diverser Gitarren in Kauf nehmen zu müssen. Ein Knopfdruck reicht aus! Sehr reizvoll sind auch die diversen Synthie Sounds, die der Amp bereithält. Auch in Punkto Akustik- oder Synthie-Sounds leistet die Kombination aus den beiden 30cm Speaker und 2 Hochtönern ganze Arbeit. Egal ob Banjo, Ukulele oder Orgel. Jeder Sound wird prompt erledigt und authentisch an die Luft gesetzt. Ein weiteres Highlight des Amps ist die Kombination der beiden Hauptsektionen COSM Guitar und COSM Amp. So kann man zum Beispiel cleane oder akustische Sounds aus der COSM Guitar Abteilung, problemlos mit verzerrten Varianten aus der Amp Section kombinieren. Auch hier sind der eigenen Experimentierfreude keine Grenzen gesetzt. Einzige Voraussetzung: Eine E-Gitarre, die mit einem hexaphoischen Pick-Up ausgestattet ist.

Fazit

Mit dem neuen VGA-7 ist der Firma Roland ein wirklich großer Wurf gelungen. Die Kombination aus einem "normalen" Amp Modeler und der aus dem VG-88 bekannten COSM Guitar Simulation, macht den Combo-Amp zu einem echten Universal-Genie. Egal ob man ihn nun mit einer normalen Gitarre, oder zusätzlichem Midi Pickup betreibt, der VGA-7 überzeugt in beiden Diziplinen durch seine sehr natürlichen Sounds und ein extrem realistisches Spielgefühl. Die integrierten Speaker plus Hochtöner bringen auch die krassesten Patches gnadenlos druckvoll rüber und sorgen für Spielspaß vom Feinsten. Aber auch das Line Signal weiß zu überzeugen und liefert, wenn es im Studio mal schnell gehen muß, ein perfekt Abbild des jeweiligen Ampsounds. Die Tatsache, dass sich alle Funktionen per Midi Controller oder Fußtaster fernbedienen lassen, macht auch den Live-Einsatz des Amps zum Kinderspiel.

 

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