Mesa Stiletto Deuce -HeadJeder Stich ein Trefferein Test von Hansi Tietgen Mit dem in seiner Urversion bereits Ende der 80er Jahre veröffentlichten Rectifier, ist es der kalifornischen Amp-Schmiede Mesa gelungen den ultimativen Referenz-Verstärker der NewRock Generation zu schaffen. Dabei bietet das Gain-Monster zwar von vornherein die Möglichkeit wahlweise mit 6L6 oder EL34 Endstufen-Röhren betrieben werden zu können, ausgeliefert wird der Bolide allerdings immer in der "amerikanischen" 6L6 Ausstattung. Und da er auch bevorzugt in diesem Set-Up gespielt wird, ist es genau dieser Sound, der das Head für HiGain verliebte NewRocker so unwiderstehlich macht. Mit dem brandneuen Stiletto wildert der Edelhersteller jetzt erstmals auch im "britischen Revier" und präsentiert einen Amp, der, befeuert mit vier (sechs in der Trident Version) EL34 Endstufen Röhren auch Freunden der plastischen Performance der Verstärker-Konzepte von der Insel viel Freude bereiten soll. |
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Der Stiletto ist in zwei Versionen erhältlich. Die in ihrer Ausstattung identischen Amps unterscheiden sich lediglich in ihrer Leistung und -davon abhängig - der Menge der verbauten Endstufen-Röhren. So kommt der uns zum Test vorliegende Deuce mit 100 Watt und vier EL34 Röhren, die Trident-Variante liefert 150 Watt aus sechs EL34 Glaskolben. Genau wie alle Amps der Edelschmiede, überzeugt auch der Stiletto mit einer erstklassigen Verarbeitung. Das Gehäuse des Heads wird aus hochwertigem 18 mm starkem, baltischen Birkenschichtholz gefertigt, das, in Verbindung mit dem Aufbau im Nut und Feder-Stil eine robuste, extrem haltbare Qualität garantiert. In Sachen Oberflächenveredelung und beim Schutz der Gehäuseecken, setzt Mesa beim Stiletto auf stilvolles schwarzes Leder. Und auch beim Designmittelpunkt des Amps, der Frontplatte, kommt mit schwarzem Schlangenleder-Imitat, ein Quasi-Naturprodukt zum Einsatz. Das Elektronik-Chassis des Stilettos besteht aus verchromtem Stahl und steht so im attraktiven optischen Kontrast zum Schwarz des Gehäuses und der Frontplatte. Üppige, verchromte Lüftungsbleche in Front und Deckel, und ein grobmaschiges, schwarzes Gitter auf der Rückseite sorgen nicht nur für den nötigen Schutz der Innereien, sondern gewährleisten eine perfekte Kühlung des Aggregats. Und da gibt es einiges was auf ein laues Lüftchen wartet, schließlich ist der Stiletto ein reinrassiger Vollröhrer: Die Basis der beiden Preamp-Sektionen bilden insgesamt drei, der fünf verbauten Dual-Trioden 12AX7 Röhren. Die restlichen zwei 12AX7 wurden als Treiber-Röhre des Effektwegs und für den Phase Splitter/Output abgestellt. Die Endstufen-Sektion wird, wie eben schon erwähnt, mit vier EL34 Röhren befeuert. Als Gleichrichter-Röhren kommen zwei 5U4 Röhren zum Einsatz. Zu ihrer Funktion später aber noch mehr! Das PanelIn typischer Dual Rectifier-Manier präsentiert sich das Panel des Stilettos horizontal zweigeteilt. Dabei hat Mesa die Bedienelemente des ersten Kanals in der oberen Reihe, die des zweiten Kanals in der unteren Reihe untergebracht. Obwohl die Bedienelemente für beide Kanäle gleich sind, ist ihre jeweilige Auslegung und das Voicing der Klangregelung alles andere als identisch. Hier die Funktionen der diversen Bedienelemente der Front im Überblick Kanal 1 Clean/Crunch Kanal 2 Die grundsätzliche Kanalanwahl findet beim Stiletto über einen Minischalter statt. Die Funktion lässt sich natürlich auch via Fußtaster fern bedienen. Der jeweils aktive Kanal wird durch zwei verschieden farbige LEDs angezeigt. Master-Sektion Mit Hilfe von zwei, den Amp-Kanälen zugeordneten Minischaltern lässt sich die Endstufen-Leistung von 100 auf 50 Watt halbieren. In diesem Modus werden zwei der vier EL34 Endstufen-Röhren auf Standby geschaltet, eine Maßnahme die, im Gegensatz zum Einsatz eines Lastwiderstands, keinen Einfluss auf die Qualität der gelieferten Sounds hat und sich entsprechend gut verwenden lässt . Eine weitere typische Funktion von Mesa-Amps repräsentiert der beim Stiletto auf der Frontplatte untergebrachte Spongy/Bold Switch. Das Feature, gerne auch "Variac" genannt, setzt genau da an, wo auch die Wirkung des später noch zu beschreibenden Gleichrichter-Switch anzusiedeln ist. Im Spongy-Mode wird die interne Betriebsspannung heruntergesetzt, was zur Folge hat, dass der Stiletto schneller übersteuert und die im Amp-Biz gerne als Brown-Sound umschriebene Performance abliefert . Das Betreiben des Amps in diesem Modus hat aber noch einen weiteren Vorteil: Die dezentere Betriebs-Spannung verlängert das Leben der Röhren und erhöht somit die Zuverlässigkeit des Amps. Im Bold-Mode wird die Spannung gepusht. Das Resultat: Eine höhere Lautstärke - der Sound bleibt länger clean. Nachteil der Aktion: Die Lebensdauer der Röhren wird reduziert. Die RückseiteBevor wir uns um die Details kümmern, hier zunächst einmal eine kleine Übersicht der angebotenen Features: Die DetailsNeben Standards, wie dem praktischen Slave-Out (liefert das komplette Amp-Signal), den diversen Speaker-Outs und den beiden Anschlussbuchsen für den externen 2-Wege Fußschalter (Kanalumschaltung, Solo-Funktion) sei hier besonders der erstklassige Effektweg erwähnt. Bei der Ausstattung und Funktion der Loop hat die Edelschmiede Mesa ja bekannterweise bisher bei keinem ihrer Amps gekleckert und so kommt auch der Stiletto mit einem röhrengetriebenen Effektweg in Parallelausführung, der sich über den Send-Level Regler perfekt an die individuellen Bedürfnisse des gerade verwendeten Effektgeräts anpassen lässt. Ein Hard Bypass bietet Puristen die Möglichkeit die Loop rückstandslos aus dem Signalweg zu entfernen. Da sowohl die Solo-, als auch die Masterfunktion im Returnweg der Loop untergerbacht ist, bleiben diese sehr praktischen Funktionen im Bypass-Mode allerdings außer Betrieb . Dank der exzellenten Qualität und der parallelen Einbindung des Effektwegs muss das aber nun wirklich nicht sein und so können auch Soundfetischisten mit aktiver Loop losrocken, ohne dabei einen Qualitätsverlust in Kauf nehmen zu müssen. Rectifier = Gleichrichter Obwohl sich Vor-, und Endstufenkonzept des Stiletto grundsätzlich vom Rectifier unterscheiden, gehört auch der neuste Streich aus dem Hause Mesa Engineering der Rectifier-Serie an. Denn übersetzt heißt Rectifier zunächst einmal nichts anderes als Gleichrichter, ein Bauelement also, das in der Endstufe jedes Röhrenamps zu finden ist und hier für die Umwandlung von Wechsel-, in Gleichstrom verantwortlich zeichnet. Und genau wie bei allen Amps der Rectifier-Produktgruppe (dazu gehören übrigens auch der Rectifier und der Roadking ) hat man auch beim Stiletto die Möglichkeit aus einer von zwei angebotenen Gleichrichter -Philosophien zu wählen. Namentlich kommt hier entweder eine Silicon Diode, oder zwei Gleichrichter Röhren des Typs 5U4G zum Einsatz. Dabei liefert die Diode eine gleichbleibend straffe Spannung, während die Gleichrichter-Röhre wesentlich elastischer (man kann auch sagen organischer) zu Werke geht. Die im Röhren-Gleichrichter Modus reduzierte Betriebsspannung innerhalb der Endstufe zieht eine Veränderung der Arbeitspunkte aller Röhre nach sich so dass der Amp an seiner Leistungsgrenze, mehr Kompression aufweist, als derselbe Verstärker mit Dioden-Gleichrichtung. Wahrnehmbar wird dieser Effekt schon bei höheren Lautstärken im Clean-Sound. Ein Grund übrigens, warum Amps wie der Vox AC30 oder der Fender Tweed Bassman zu Legenden des Amp-Biz geworden sind. Aber auch im gainintensiveren zweiten Kanal verzerrt der Verstärker mit Röhren-Gleichrichtung schneller und liefert einen dichten, sahnigen Sound. Im Dioden-Betrieb hingegen wird die subjektive Endlautstärke größer und der Verstärker arbeitet etwas "cleaner". Das äußert sich in einer straffer wirkenden Bass-Performance und einem transparenten Gesamteindruck - gerade dann, wenn man extreme Preamp-Settings fährt, oder mit heruntergestimmten Gitarren arbeiten möchte. Dank des angebotenen Tube Rectifier-Trackings hat man die Möglichkeit jeden der beiden Amp-Kanäle mit einer anderen Gleichrichter-Instanz arbeiten zu lassen. Welche Einstellung man im Endeffekt wählt ist aber, wie so vieles im Leben, reine Geschmacksache. Die PraxisDer Test des Stiletto fand in Verbindung mit einem Hughes & Kettner C412 A25 Cabinet (mit Celestion Greenback Speakern) statt. Als Test- Gitarre kam eine MusicMan Silhouette Special zu Einsatz. Abgenommen wurde das Cabinet mit einem Sure SM57 Mikrofon. Wegen der unterschiedlichen Möglichkeiten des Fein-Tunings (Spongy/Bold, Silicon Diode, Röhren-Gleichrichtung, sechs Modes) bietet der Stiletto eine Vielzahl subtiler Sound-Varianten. Unser Test startet mit dem Clean-Kanal des Amps, im Spongy-Mode und aktiver Röhrengleichrichtung. Im Fat Clean Mode verwöhnt das Head mit einer unglaublich fetten, sehr dynamischen Performance, mit üppigem Bottom-End und einer sehr präzisen, schnellen Ansprache Tatsächlich bietet der Stiletto eine Art Best Of Both Worlds Clean-Sound. So erinnert die Performance an die begehrte Performance legendärer amerikanischer Röhrenklassiker, wie dem Fender BlackFace, besitzt aber, dank der verwendeten EL34 Endstufe, gleichzeitig die legendäre Durchsetzungskraft die Gitarristen an britischen Amps so sehr schätzen. Dementsprechend sind punchy Funk-Sounds genauso wenig ein Thema, wie warme, saftige Jazz-Sounds - und das ohne dabei auch nur im Ansatz Gefahr zu laufen, mit seinen Licks im Getöse des Bandspiels unterzugehen. Im Tite-Mode werden die Sub-Bässe und Tief-Mitten reduziert. Dadurch erscheint die Performance brillanter und fokussierter und bildet so die ideale Basis für akkordorientierte, knackige Rhythmusgitarren-Riffs, die sich im Mix optimal in Szene setzen lassen. Im Crunch-Mode sind dann schließlich auch angezerrte Sounds möglich. Gerade in Verbindung mit kraftvollen Pick-Ups und Kampflautstärke fährt der Amp zügig in die Sättigung und verwöhnt mit organischen, dreidimensionalen Sounds, die gerade im Blues einen erstklassigen Job abliefern. Hier zahlt es sich aus, dass sich die Leistung des Stilettos halbieren lässt. Obwohl auch 50Watt ziemlich mächtig sind, hat man so die Möglichkeit die volle Kompression der am Limit arbeitenden Endstufe genießen zu können, ohne gleich einen Gehörsturz, oder den Band-Ausschluss zu riskieren. Unterstützt wird das Zerrverhalten des Amps durch den im Test bevorzugt eingesetzten Spongy Mode und die Röhren-Gleichrichtung. Obwohl der Crunch-Mode des zweiten Kanals ein Quasi-Clon des gleichnamigen Modus des Clean-Kanals ist, steigt er mit einer Prise mehr Gain ein, als sein Namensvetter. Außerdem wurde der Wirkungsgrad des Presence-Reglers angepasst, so dass er sowohl im Crunch, als auch den beiden HiGain-Modes des Kanals einen perfekten Job ablieferen kann. Starten wir also mit dem Tite-Gain. In diesem Modus und bis zum Anschlag aufgedrehtem Gain-Regler liefert der Amp satte, durchsetzungsstarke Zerrsounds, ganz in der Tradition der angesagtesten britischen EL34 Boliden. Dank des im Mittenbereich sehr fokussierten Sound und einer unglaublichen Transparenz braucht man sich mit dem Stiletto im Rücken, keine Gedanken mehr um seine Dominanz "On Stage " zu machen. Stil und Grad der Verzerrung sind nicht mit dem Rectifier zu vergleichen, würde ja auch keinen Sinn machen - den gibt es ja schon! Der Sound des Stilettos ist offener und bezieht seine Attraktivität -wie eben schon erwähnt -aus klassischen Attributen britischer Röhrenamps. Jedes Spieldetail wird extrem genau und ehrlich abgebildet und so belohnt der Amp das saubere, akzentuierte Spiel seines Users mit einer exzellenten Performance. Auch die individuellen Klangeigenschaften unterschiedlicher Pick-Up-Kombinationen werden beeindruckend authentisch widergegeben. Trotz (oder gerade wegen) des "normaleren" Gainaufkommens werden aber auch NewRocker, perfekt bedient. Selbst extremere Tunings nimmt der Stiletto mit einer unglaublichen Souveränität und verwöhnt mit einer wuchtigen, druckvollen Performance, die zu keinem Zeitpunkt ihre beeindruckende Transparenz und Dynamik verliert - nicht umsonst verwenden viele der angesagtesten NewRocker neben dem Recto, auch vintageorientiertere Amps, deren Gain nicht auf "cranked" eingestellt wurde. Ein weiteres Highlight des Stilettos sind seine Lead-Sounds. Feinschmecker werden hier bestens bedient. Die Dynamik und Natürlichkeit mit denen der Amp zu Werke geht, lässt wirklich keine Wünsche offen. Von sahnig verzerrten Blues-Sounds, bis zu toughen, durchsetzungsstarken Leads ist alles im Angebot. Und wieder gilt: Was man hineingibt, kommt auch heraus. Individuelle Phrasings und Eigenheiten in der Formung der Töne werden behutsam weiterverarbeitet und über das angeschlossene Cab perfekt an die Luft gesetzt. Wer es noch sahniger und fetter will, dem legen wir den Fluid-Drive Modus des Stilettos ans Herz - durch eine Rekonfiguration der Mittenwidergabe und betonten Sub-Bässen wird der Amp zur ultimativen Lead-Machine - dem Spezialisten für seelenvolle Single-Note Lines mit Charakter. FazitMit dem neuen, EL34 befeuerten Stiletto rundet Mesa sein Angebot an erstklassigen Vollröhren-Amps ab und präsentiert ein Konzept, das, sich in seiner Basis an der Performance klassischer britischer Verstärker-Baukunst orientiert. Die Verarbeitung des 2-kanalig ausgelegten Verstärkers ist mesatypisch perfekt und seine Ausstattung ohne Übertreibung erstklassig. Einmal aktiviert verwöhnt der Stiletto mit einer Klangqualität, die garantiert kein Auge trocken lässt. Alle angebotenen Sounds überzeugen mit einer ausgeprägten Dynamik, Lebendigkeit und enormem Durchsetzungsvermögen. Schon die Clean-Sektion macht einen Weltklasse-Job und bietet plastische Sounds voller Wärme und Transparenz, die, dank EL34 Endstufenpower, in jeder musikalischen Situation ganz vorne mitspielen können. Und auch der zweite Kanal des Stilettos ist ein absoluter Kracher. Genau wie schon im "Clean-Kanal" überzeugen auch die hier angebotenen Sounds mit einer unwiderstehlich organischen Dynamik. Die gelieferte Verzerrung ist smooth und dennoch zu jedem Zeitpunkt durchsetzungsstark und transparent. Das vintageorientierten Gainaufkommen des Stilettos sorgt für charakterstarke, hochwertige Lead-Sounds. Aber auch in Verbindung mit detunten Gitarren weiß der Amp zu überzeugen. Dank seiner sehr sauberen Arbeitsweise werden auch krasse Settings am Limit souverän umgesetzt. Gitarristen, die nach einem erstklassigen, ehrlichen Vollröhren-Amp in der Tradition der größten EL34 Verstärker aller Zeiten suchen, ist der Stiletto ein ganz heißer Tipp! |
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