Line 6- Variax Bass 700

Modeling Bass Guitar

ein Test von Oliver Poschmann

Bereits kurz nach ihrer Gründung im Jahr 1996 hatte sich die amerikanische Firma Line 6 den Ruf erarbeitet, für allerlei Überraschungen gut zu sein. So verblüffte die Elektronik-Schmiede die Szene seinerzeit nicht nur mit ihren Modeling -Gitarrenamps und sorgte so für einen wahren Boom digitaler Soundspender. Auch das geniale Konzept ihres Pod revolutionierte innerhalb kürzester Zeit die Musikwelt. Das kompakte Tool mit dem markanten Design war in der Lage die Sounds vieler berühmter Gitarrenamps, Boxen und Effekte zu simulieren und wurde so schnell zur Standard-Ausstattung aktiver Heimwerker und mikrofonmüder Studio-Besitzer. Obendrein war die rote Bohne auch noch sensationell günstig und - für Gitarristen ein absolutes Muss- sehr einfach zu bedienen. Inspiriert durch den großen Erfolg des POD kamen die findigen Ingenieure in den "Line 6 Laboratorien" schließlich auf die Idee, Gitarristen das Leben noch eine Spur leichter zu machen und eine E-Gitarre zu entwickeln die, als waschechtes "All In One Wunder" alles an Bord hat, was nötig ist,um in jeder musikalischen Situation einen guten Job abzuliefern - die Variax, die vielleicht erste Modeling-Gitarre war geboren. Es folgte eine akustische Version und mit dem Variax Bass- im letzten Jahr endlich auch eine entsprechende Bass-Serie. Und genau um diese, vertreten durch den Variax Bass 700, wollen wir uns in unserem PG Gear Check jetzt einmal etwas intensiver kümmern.

Rein optisch ist der 4-saitige Variax Bass schnell beschrieben, denn er gibt sich im Design eher klassisch und besticht durch eine schlichte, dabei aber durchaus zeitlose Eleganz . Etwas futuristischer wirkt allerdings die Abwesenheit eines Tonabnehmers auf dem Body. Um dem Spieler trotz des fehlenden Pickups die Möglichkeit zu geben den Daumen der Anschlaghand abzulegen, hat Line 6 eine Kunststoff-Leiste oberhalb der E-Saite (bzw. H-Saite beim 5-Saiter) installiert. Sie erlaubt eine freie Positionierung der Hand und unterstützt so die individuellen Spielgewohnheiten unterschiedlicher User.

Der Korpus des Variax Bass wurde aus Erle gefertigt und ist in den Farbvarianten Sunburst und Schwarz erhältlich. Die Sunburst-Version hat ein Torquoise- Pickguard, die schwarze, uns zum Test vorliegende Variante, kommt mit einem Pickguard im edlen Perlmutt-Look. Die verwendete Bridge ist auf den ersten Blick eine Standard 2-D Ausführung, wären da nicht die in den vier Reiterchen integrierten Piezotonabnehmer. Der Bedienbereich auf dem Pickguard besteht aus vier Potis auf deren genaue Funktionen wir später noch intensiver eingehen werden. An der Unterseite des Korpus warten zwei Ausgänge auf Anschluss. Ausgang Numero #1 ist ein Klinkenausgang, der im Batteriemodus mit einem Standard Instrumentenkabel verwendet werden kann. Beim Einsatz eines Stereo-Klinkenkabels hat man alternativ dazu die Möglichkeit den Bass über die mitgelieferten D.I. Box mit Strom zu versorgen. Ausgang Numero #2 ist ein Digital-Port, der dazu dient neue Sounds in den Bass zu laden, oder den Variax Bass mit zukünftigen Line 6 Produkten zu verbinden.

Noch ein paar Worte zur angesprochenen Stromversorgung: Auf der Rückseite des Korpus finden wir ein Batteriefach. Es bietet Platz für sechs 1,5 V Mignon Batterien oder eine 9V Batterie. Der Betrieb mit 9V Block ist jedoch nur für den Notfall empfohlen, da die maximale Betriebsdauer hier bei überschaubaren 1-2 Stunden liegt. Die Befeuerung mit sechs Mignon-Zellen hält den Bass immerhin für 10-12 Stunden "am Leben". Optional können natürlich auch Akkus verwendet werden. Obwohl der Batteriemodus den Vorteil bringt den Bass auch mit einem Sender betreiben zu können, empfiehlt sich für den Dauerbetrieb des Variax Bass nur die Stromversorgung über die mitgelieferte D.I. Box. Ist ja auch kein Problem. Wozu gibt es schließlich lange Kabel!

Der Hals

Der Hals des in Korea hergestellten Variax 700 besteht aus einteiligem Ahorn und ist mit einem Palisander-Griffbrett und 21 Bünden ausgestattet. Dank der recht schmalen Bauform und des relativ flachen Halsprofils liegt er sehr gut in der Hand und lässt sich bequem spielen. Die Kopfplatte wirkt leicht modernisiert, indem sie die Opulenz der Fender-artigen Kopflatten entschieden reduziert und passend zur schmaleren Bauform, kleinere Mechaniken beherbergt. In Sachen Handling macht sich der kleinere Headstock direkt bemerkbar. Der Bass ist nämlich wesentlich weniger Kopflastig, als andere Modelle ähnlicher Bauart. Überhaupt ist der Variax mit seinem schlanken Erlenkorpus ein angenehmes Leichtgewicht. So, damit wäre der Bass bereits ausreichend beschrieben. Was jedoch wirklich in diesem Instrument steckt bedarf einer detaillierten Untersuchung, denn die Möglichkeiten scheinen überwältigend zu sein.

Details

Wie bereits erwähnt besteht die Bedienoberfläche des Variax-Bass aus vier, auf dem Pickguard untergebrachten Potis. Dabei übernimmt das Unterste der vier "Controller" die Aufgabe des Soundwahlschalter. Es ist mit 12 Rasterpositionen ausgestattet, von denen jede einzelne einen Sound aktiviert. Die jeweils zur Verfügung stehenden Bass-Models wurden auf den Potiknopf aufgedruckt. Zur besseren Orientierung, gerade in dunklen Räumen oder auf der Bühne, hat Line 6 oberhalb des Potis eine LED angebracht, die die Beschriftung des gerade angewählten Sounds anleuchtet - gute Idee!

Das Volumenpoti des Variax Bass hat die Zusatzfunktion eines Bankwahlschalters. Hat man sich mit Hilfe des Soundwahlpoti für ein Model entschieden, kann, durch entsprechendes Drücken des Volumenpotis, ein weiterer Sound auf der gleichen Schalterposition abgerufen werden. Insgesamt stehen also 24 Sounds, verteilt auf zwölf Schalterpositionen und zwei Bänke zur Verfügung. .Und damit man nicht durcheinander kommt, wechselt die ansonsten grün leuchtende LED beim Bankwechsel zur optischen Unterstützung ihre Farbe in ein "leuchtendes" Rot.

Übrigens hat auch der Soundwahlschalter eine Zusatzfunktion - er speichert Veränderungen an den Prests. Hat man einen Sound nach eigenem Gusto editiert, hält man den Soundwahlschalter einige Sekunden lang gedrückt- der Speicherungs-Prozess ist beendet wenn die LED aufhört zu blinken. Allerdings wird die vorherige Einstellung beim Speichern überschrieben. Es ist nicht möglich den modifizierten Sound auf eine andere Position oder Bank zu legen.

Für die Klangregelung der "gemodelten Instrumente" stehen 3 Potis zur Verfügung (1 Standard Poti und ein Stack-Poti mit 2 Reglern). Dabei arbeiten die Stackpotis als Höhen- und Bassregler - und das auch bei den Simulationen, deren reale Vorbilder im echten Leben nur mit einem passiven Tonregler ausgestattet sind. Man verfügt so also auch bei den digitalen Nachbauten passiver Bässe über eine aktive Klangregelung - coole Sache . Doch das ist noch nicht alles. Bei den digitalen Simulationen von Bässen mit zwei Tonabnehmern wirkt das Standard Poti als Balance-Regler. Bei Models von Bässen mit einem Tonabnehmer lässt sich mit Hilfe des Balance Potis ein Effekt erzielen, als würde man den Tonabnehmer zwischen Bridge und Halsende verschieben. Und bei den virtuellen Nachbauten akustischer Bässen hat man die Möglichkeit das "virtuelle Mikrophon" näher am, oder weiter vom Korpus weg zu platzieren.

XPS D.I. Box

Zum Lieferumfang des Variax Bass gehört eine D.I. Box, die zusätzlich die Aufgabe hat, den Bass über ein Stereoklinkenkabel mit Strom zu versorgen.. Neben dem Stereo-Klinkeneingang verfügt die XPS D.I. Box über einen XLR-Ausgang zur Speisung eines Mischpultes und einen Klinkenausgang für die Verbindung zum Verstärker. Ein Pegelwahlschalter bietet die Option zwischen zwei unterschiedlichen Ausgangspegeln zu wählen. Ein Groundliftschalter zur Eliminierung eventuell auftretender Brummprobleme rundet das Angebot ab.

Praxis

Beim Durchforsten der Sounds im Praxistest kommt Freude auf. Die angebotenen Model-Bass-Sounds wirken wie ein kleiner Ausflug durch die Historie des E-Bass. Tatsächlich taucht so ziemlich alles auf, was im Bass-Biz Rang und Namen hat. Angefangen bei Klassikern wie dem Fender Jazz-Bass, von dem gleich vier unterschiedliche Models existieren (1960 mit Flatwound-Saiten, 1961 Fretless, 1971 und 2004 Deluxe), über den Fender Precision (1958 mit Flatwounds und 1963), MusicMan Sting Ray, Gibson Thunderbird, Rickenbacker 4001, Longhorn, Höfner Beatles Bass, Gibson EB-2 bis hin zu modernen Bässen wie Tobias, Alembic, Warwick, Modulus und Steinberger. Darüber hinaus verwöhnt der Variax Bass mit den digitalen Modellen des legendären Hagström 8-Saiters, eines Hamer B12A (12-saitigen Akustik-Bass) eines Kontrabass, eines Akustik-Bass, sowie zweier Synthiebässe (einer davon angelehnt an den Mini-Moog).

Die Güte der Signalverarbeitung ist erstklassig, so dass der Variax Bass sehr detailliert auf individuelle Merkmale wie Anschlag, Spieltechnik und verwendete Saitenart reagiert. Auch eine Verzögerung (Tracking) bei der Umwandelung des von den Piezo-Pickups gelieferten Signals ist nicht spürbar - der Variax fühlt sich an wie ein ganz normaler Bass. Tatsächlich ist das vermittelte Spielgefühl sehr authentisch und man vergiss schnell, dass es sich bei den gespielten Bass-Sounds um digitale Simulationen handelt. Neben den absolut realistisch wirkenden Simulation klassischer Vintage-Instrumente, sind es besonders die virtuellen Nachbauten moderner Bässe wie Tobias, Alembic oder Warwick die mich beeindruckt haben Der Variax Bass bietet also wirklich den Luxus per Knopfdruck in sekundenschnelle vom coolen Vintagebass auf den Edelbass umzusteigen . Nicht so begeistert bin ich vom Kontrabass, muss der Fairness halber allerdings auch zugeben, das es sicher nahezu unmöglich ist den Sound eines Kontrabasses auf ein Instrument wie den Variax Bass, mit seiner doch massiv kürzeren Mensur, zu übertragen. Das Modeling des Hagström 8-Saiters wiederum halte ich für sehr gelungen.

Fazit

Der Variax Bass ist ein Allroundkönner mit sehr hohem Spaß- und Experimentierfaktor und ein ernstzunehmendes Tool für jeden Bassisten, der eine extrem hohe Soundflexibilität bei minimalem Equipmentaufwand sucht. Sein sehr gutes Handling, in Kombination mit einer wirklich professionellen Performance machen den Bass zu einem verlässlichen Partner - im Studio und auf der Bühne. Und ganz nebenbei hat der jüngste Streich aus dem Line 6 Labor noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Würde man unter normalen Umständen mit einem solch üppig ausgestatteten Fuhrpark echter Instrumente durch die Gegend ziehen, bräuchte man nicht nur einen LKW-Führerschein. Auch das Bank-Konto müsste eine "musikeruntypisch" hohe Deckung aufweisen. Beide Daumen hoch!

Specs

  • Hersteller:Line 6
  • Typ: Modelling E-Bass
  • Korpus: Erle
  • Hals: Ahorn
  • Griffbrett: Palisander, 10" Radius
  • Bünde: 21 medium profile frets
  • Mensur: 34"
  • Mechaniken: verchromt, geschlossen
  • Bridge: Standard Bridge mit Piezo-Pickups
  • Regler: Master-Volume, Tone, Blend, Pickup Position, Mic Position, Model-Selector
  • Models: 24 Bass-Sounds
  • Anschlüsse: 1/4" Standard Instrumenten-Ausgang symmetrischer XLR Ausgang (Direkt-Anschluss an Recordings-Systeme, P.A. etc.)
  • Stromversorgung: Über XPS-DI oder Batterie (6x AA oder 1 x 9-volt)
  • Preis: € 1335,00 (u.v.p) inkl. Gig Bag (5 Saiter "Variax Bass 705" € 1600,-)

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