Freundliche Alben beginnen nicht einfach, sie begrüßen
ihre Hörer. Reveal, das 12. REM-Werk, ist ein freundliches
Album: Good Morning! How are You? meldet sich Michael Stipe
im Opener Lifted. Natürlich nicht plump zu Beginn, sondern
elegant in der zweiten Strophe. Und dann gibt er gleich die Grundstimmung
für die folgenden 55 Minuten bekannt: The weather's fine
the sky is blue. Versöhnlich. Als hätten REM endlich
erkannt, warum sich die Fans nach ihrem epochalem Automatic For
The People (1992) in scharen von ihnen abwandten: Monster rockte
ratlos, New Adventures In HiFi sollte große Kunst werden und
überforderte Macher wie Hörer. Up überdeckte nur
ungenügend die Risse, die längst durch die Band gingen.
Trotz At My Most Beautiful. Reveal ist die Rückkehr
zu klar definierten Songstrukturen und - neu! - murmler Stipe reichte
seine Texte druckfertig ein. Das stört die Magie der Stipeschen
Reime keineswegs: Er ist immer noch mystisch verworren - seine Charaktere
sind fragend und suchend, selten findend und nie antwortend. Aber
wenigstens gibt es am beim Nachsingen am Lagerfeuer keinen Streit
mehr.
Für die Leute? Automatisch!
Einmal allerdings geht der Finger zur Skip-Taste: She Just Wants
To Be nimmt einfach kein Ende. Ansonsten überzeugen 11
Songs - Highlights: Saturn Return, Lifted, Beat
A Drum - auch dank der großartigen, organischen Produktion
von REM in Zusammenarbeit mit Pat McCarthy: sehnsüchtige Streicherarrangements
im Automatic For The People-Stil, Psychedelische Anflüge, Moog-Klänge,
ein tiefer Griff in Brian Wilsons Trickkiste, hier surrt eine Sitar,
dort klagt die E-Bow-Gitarre, hier rumpelt es im Hintergrund, dort
rauscht ein kratziges Programming unter zarten Piano-Akkorden und
eine Trillerpfeife gibt fast unbemerkt den Rhythmus. Auf Reveal
gibt es viel zu entdecken - ein Ausflug per Kopfhörer sei empfohlen.
In all' diesem wohlklingenden Schnick-Schnack liess sich schließlich
auch Mandolinen-Papst Peter Buck hinreissen, mal wieder sein frühes
Markenzeichen ins Studio mitzubringen: Die zärtlich angezupfte
Rickenbacker. Auch das Wiederhören macht Freude.
Fazit: Ein freundliches Album,
das sich natürlich auch verabschiedet: This life is sweet,
you're dancing in the street, who are you gonna meet? schließt
Stipe in Beachball, You'll do fine. Automatic For
The People bleibt der rockhistorische Meilenstein, doch für
den REM-Fan bedeutet Reveal: It's the end of the Durststrecke (and
I feel fine). (mb)
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