Interview mit dem Ausnahmegitarristen und Musical Director von Orange
Blue
von Oliver Poschmann
Roland Cabezas ist der Gitarrist von Deutschlands Charterfolgsgarant
Orange Blue. Die Band, die bereits kurz nachdem
Ihr Song Can Somebody Tell Me Who I Am in
dem Disneyfilm Dinosaurier auftauchte, mit
ihrem Debut-Album In Love With A Dream die
Spitze der Charts stürmte, wurde für den Ausnahmemusiker aus
Spanien zum Karriere-Sprungbrett. Nur wenige wissen das sich hinter der
musikalischen Arbeit am ersten Orange Blue Album nahezu ausnahmslos Roland
Cabezas verbirgt, der sich während der Produktion als Multiinstrumentalist,
Arrangeur, Sänger und Komponist einbringen konnte. Auch an der Arbeit
zum neuen Orange Blue Album war er wieder maßgeblich beteiligt und
genau wie bereits 2001, begleitet er auch in diesem Jahr die Tournee der
Band als Gitarrist und musikalischer Leiter. Planet Guitar Autor Oliver
Poschmann traf sich mit Roland zum Musikerplausch.
?PG:
Roland, du bist sehr stark in das Projekt Orange Blue eingebunden, nicht
nur als Gitarrist.
!RC: Das trifft vor allem für
das erste Album zu, bei dem ich nahezu alle Instrumente selber eingespielt
habe und auch kompositorisch hier und da Elemente einbrachte. Auf dem
aktuellen Album bin ich zwar wieder als Gitarrist, Bassist und Keyboarder
eingesetzt worden, kompositorisch war jedoch das meiste bereits fertig,
so dass mein Input auf dieser Ebene dieses mal dementsprechend weniger
gefordert war. Generell kann man sagen , dass ich mit meiner Gitarrenarbeit
bei Orange Blue eher für den "Schmutz" verantwortlich bin. Die Jungs
sind sehr streicherverliebt und damit die Produktion nicht zu süß
klingt, kommt eben hier mal eine Wahwah Gitarre, da etwas Crunch-Bedienung
zum Einsatz. Wer in der Musik von Orange Blue auf die Pirsch nach interessanten
Gitarren-Parts gehen will, der wird mich als Musiker am ehesten bei den
Akustik-Gitarren Arrangements wiederfinden. Sie kommen dem was ich sonst
so tue, wohl am nächsten.
Es ist einfach wichtig sich die Jugendhaftigkeit
beim Musikmachen zu bewahren. In Deutschland wird oft versucht die Kreativität
schon im Vorfeld zu kanalisieren. Frei nach dem Motto, was läuft
in den Charts, was kommt dem am nächsten, etc..- der pure Weg in
die Mittelmäßigkeit.
?PG: Wenn es auch wenige Gitarrensoli
bei Orange Blue zu hören gibt, so kann man doch einen intensiven
Eindruck von deiner stilistischen Vielfalt bekommen und es wird schnell
klar, dass Du Deine Hausaufgaben ganz woanders gemacht hast - wie fing
das ganze an?
!RC: Das hast Du schön gesagt,
die Hausaufgaben liegen tatsächlich ganz woanders. Wenn man durch
eine bestimmte Sache bekannter wird, wie z.B. jetzt durch Orange Blue,
dann wird man genau damit identifiziert, auch wenn man musikalisch aus
einer ganz anderen Ecke kommt.
Es gibt ca. 3 Epochen in meinem Leben, die mich entscheidend geprägt
haben. Die erste liegt sicherlich in meiner Kindheit. Ich bin Deutsch-Spanier,
mein Vater kommt aus Malaga und wir haben daher zuhause sehr viel spanische
und lateinamerikanische Musik gehört. Außerdem bin ich zweisprachig
aufgewachsen. Als ich 6 Jahre alt war kaufte mir mein Vater in Spanien
eine Gitarre für ca. 50,- DM. Anfangs konnte ich damit nichts anfangen
und ließ sie in der Ecke stehen. Dann aber bekamen wir Besuch von
einem Freund aus Madrid, der sich die Gitarre griff und auf ihr spielte
und plötzlich erschien das ganze für mich in einem völlig
neuen Licht. Er brachte mir das Stück Romanza Enomino bei,
das in Deutschland durch Ricky King bekannt wurde. Seine Frau spielte
auch ein wenig Gitarre, hatte es sich aber eher autodidaktisch beigebracht.
Sie verwendete eine Technik, die ich adaptierte und die ähnlich wie
die Flamenco Fächer-Technik funktionierte. Ich verwende diese Spielweise
auch heute noch sehr häufig, z.B. um Akkord-Flächen zu legen.
Nach diesen ersten einschlägigen Jugend-Erlebnissen folgte Musikschule,
Klassikunterricht usw..
Mit ca. 10 Jahren lernte ich jemanden kennen, der in einer Hippie WG
wohnte. Dort wurde den ganzen Tag Hendrix, Lynard Skynard, Bod Dylan u.a,
gehört. Das war für mich eine Art Ausbruch aus der normalen
Welt. In der Folge beschäftigt ich mich eine ganze Weile mit Hard
Rock und Blues Rock a laŽ Rainbow, AC/DC und Rory Gallagher und kaufte
konsequenterweise auch meine erste E-Gitarre, eine Kazuga. Später,
so mit 15, kam ich zum ersten mal mit Funk- und Fusion Musik in Kontakt.
Acts wie Billy Cobham, Zappa, Scofield, etc.., später dann auch Bob
Marley, englischer Reggae, The Police, Earth Wind and Fire und Kool and
the Gang haben mich damals stark beeinflusst. Langsam gingen dann alle
Einflüsse ineinander über und es kristallisierten sich zwei
große Vorlieben heraus: Harmonie und Rhythmus. Um mein Rhythmusempfinden
zu trainieren jammte ich oft zu Platten auf dem Bass. Harmonisch fing
ich an, mich mit Jazz zu befassen, um einen tieferen Einblick in die Materie
zu bekommen. Ich kaufte eine Harmonielehre, die ich bis heute empfehlen
kann: Rhythm and Background Chords
von Warren Nunes. Es ist die einzige Guitar Method, die ich je komplett
durchgearbeitet habe und sie ist wirklich sehr einfach und übersichtlich
aufgebaut. Nachdem ich mich auf diese Weise präpariert hatte, war
ich endlich auch in der Lage Klänge und Akkordfolgen zu erzeugen,
die ich zwar von Platten schon kannte, bis dato aber nicht wusste wie
man sie hinkriegen könnte.
Aus harmonischem Interesse heraus fing ich später dann auch damit
an verstärkt Klavier zu spielen, so dass ich zeitweise harmonisch
auf diesem Instrument weiter war, als auf der Gitarre. Das wiederum machte
mich so unzufrieden, dass ich wieder vermehrt Gitarre spielte u.s.w.
Später
zogen meine Eltern zurück nach Spanien und ich blieb alleine in Hamburg
zurück. So hatte ich freie Bahn für meine Karriere. Ich wollte
Musik studieren, war mir nur nicht sicher, in welche Richtung ich gehen
sollte. Ich dachte mir, wenn schon klassische Gitarre studieren, dann
nicht in Deutschland sondern in Spanien. Während ich mich also in
Spanien auf die Aufnahmeprüfung am Konservatorium in Malaga vorbereitete,
z.B. fleißig Solfeo übte, also Stücke vom Blatt
las und dabei die Tonsilben do, re, mi, fa, sol.... sang, traf ich einen
Gitarristen aus Uruguay. Ich sah diesen Typen in einem Cafe am Strand
spielen und das machte auf mich einen unglaublichen Eindruck. Der Ton,
die Kraft im Spiel, alles war einfach der Hammer. Seine Wurzeln hatte
er in der ursprünglichen Tangomusik. Sein größter Einfluss
war ein Duo aus Urugay namens Indios Tacunao. Er schenkte mir eine
Kassette von diesem Ensemble. Danach habe ich mich vier Monate mindestens
10 Stunden am Tag eingeschlossen und die komplette Kassette herausgehört.
Parallel dazu übte ich ausgiebig Skalen , um die Technik zu trainieren,
die die Indianer verwendeten. Dann traf ich meinen Freund und Lehrer wieder
und spielte ihm Teile der Musik vor. Er war von meinen Transkriptionen
so beeindruckt, dass er mich einem Freund namens Sergio Solar aus Chile
vorstellte und mich in dessen Gitarrentrio unterbrachte. Es war eine sehr
prägende Zeit, in der meine Technik einen Riesensprung nach vorne
gemacht.
Schließlich hatten auch meine Eltern vollkommenes Vertrauen in
meine Pläne Berufsmusiker zu werden. Also ging ich 1989 wieder zurück
nach Hamburg und habe seit dem nur noch Musik gemacht.
Der nächste große Schritt für mich war der Entschluss
ein Jahr an das GIT in Los Angeles zu gehen. Dort angekommen wurde ich
in die höchste Kategorie eingestuft. Da ich beriets einige Berufserfahrung
hatte, wusste ich genau welche Workshops ich aus dem Überangebot
der Schule nutzen wollte. Speziell in Sachen Improvisation hatte ich damals
Übebedarf. Ich fand einen großartigen italienischen Studienpartner,
mit dem ich täglich 14 Stunden Musik machte. Wir haben sogar ein
Buch zusammen geschrieben - die Five Position Bible - das nie veröffentlicht
wurde. Zwar konnten wir alle Griffbilder fertigstellen, den entsprechenden
Begleit-Text haben wir jedoch bis zum Studienende nicht mehr hinbekommen.
Als ich das Jahr in den Staaten hinter mir hatte ereilte mich das unangenehme
Gefühl, dass ich viel schlechter spielte als vor dem GIT . Ganz verständlich
eigentlich, denn man hat das neu gelernte noch nicht gefestigt und das
Alte ein Jahr lang vernachlässigt.
Ich kam zurück nach Deutschland, ruderte etwas herum und bekam völlig
neue Kontakte zu Musikern. Schließlich stieg ich in eine R&B und
Jazz-Soul Band ein, mit der wir unter anderem Linda Fields begleiteten,
die in den 70ern mit dem Hit Shame, Shame, Shame bekannt wurde.
Auch in der Studioszene lief es immer besser. Trotzdem ging ich 98 wieder
zurück nach Spanien- ich wollte einfach mehr Leidenschaft für
die Musik um mich herum spüren. Außerdem wollte ich wieder
etwas lernen. Dabei lies ich die E-Gitarren meistens im Koffer und konzentriert
mich hauptsächlich auf die Akustik-Gitarre. Zu dieser Zeit habe ich
sehr viel Pat Metheny und Robben Ford transkribiert, Gitarristen, die
ich sehr bewundere. Da ich bereits schon einige Mal für die Produktionsfirma
gearbeitet hatte, die damals auch Orange Blue betreuten, wurde ich schließlich
für das Projekt engagiert. Das passierte gerade zu einem Zeitpunkt
als ich schon mit einem Bein in der Szene von Madrid stand. Trotzdem entschloss
ich mich dazu, wieder zurück nach Hamburg zu gehen und bin seitdem
gut und viel gebucht.
?PG: Bei Orange Blue hast du neben
deiner Aufgabe als Gitarrist, auch noch die musikalische Leitung übernommen.
Wie hat sich das ergeben?
!RC: Obwohl ich dies nie bewusst
vorhatte, rutschte ich quasi automatisch in die Rolle des Musical Directors.
So habe ich zu Anfang der Orange Blue Karriere, als wir nur in Quartett-Besetzung
als Support für Sascha und Nec unterwegs waren, die meisten -zuvor
im Studio produzierten- Songs so für die Live-Gigs umgearbeitet,
dass man sie auch problemlos in der kleinen Besetzung spielen konnte.
Als wir später die Tournee mit der vollen 13 Mann Band absolvierten,
behielt ich die Rolle als M.D.inne und es war für mich wirklich ein
wunderbares Gefühl zu erleben, wie gut wir zusammenspielten. Wir
hatten stellenweise soviel Spaß, dass wir gar nicht mehr aufhören
wollten. Wenn man über einen längeren Zeitraum zusammenarbeitet
bekommt man schließlich einen eigenen Bandsound. Orange Blue hat
jetzt ein englisches Management und wir hoffen natürlich, daß
auch international noch etwas passieren wird. Das Potential dazu wäre
da!
Als ich das Jahr in den Staaten hinter mir
hatte ereilte mich das unangenehme Gefühl, dass ich viel schlechter
spielte als vor dem GIT . Ganz verständlich eigentlich, denn man
hat das neu gelernte noch nicht gefestigt und das Alte ein Jahr lang vernachlässigt.
?PG: Hast Du noch Zeit für Solopläne?
!RC: Zwischenzeitlich sah es so aus,
als würde ich eine Soloscheibe für die Fa. Edel produzieren
können. Aber es zog sich alles zu lange hin und schließlich
haben wir im beiderseitigen Einvernehmen Abstand von dem Plan genommen
- obwohl es bereits unterschriebene Verträge gab. Zur Zeit strecke
ich gerade meine Finger in Richtung London aus und es ist mir auch gelungen,
ein paar gute Kontakte zu knüpfen. Wir werden sehen wohin das führt.
Primär suche ich immer wieder nach dem Spaß in der Musik. Scott
Henderson empfahl seinen Schülern immer, sich regelmäßig
mit seiner Band im Übungsraum zu verschanzen, das Licht aus zu machen
und einfach mal die Sau rauszulassen, egal wie viele krumme Töne
dabei auch herauskommen mögen. Das sagt ein Typ, der wirklich genau
weiß welche Chords über was funktionieren u.s.w., es ist einfach
wichtig, sich diese Jugendhaftigkeit beim Musikmachen zu bewahren. In
Deutschland wird oft versucht die Kreativität schon im Vorfeld zu
kanalisieren, nach dem Motto, was läuft in den Charts, was kommt
dem am nächsten, etc.., der pure Weg in die Mittelmäßigkeit.
?PG: Welches Equipment verwendest
Du im Moment im Studio und auf Tour?
!RC: Meine Hauptgitarre ist ein Instrument der Schweizer
Firma Blade (RH 4 Classic),
die ich wegen ihrer Vielseitigkeit sehr schätze. Weiterhin spiele
ich noch eine Blade Telecaster Thin-Line.
In Sachen Akustik-Gitarre bin ich auf einer irischen Lowden S25 unterwegs,
die wunderbar die Eigenschaften einer Stahlsaitengitarre mit den Besonderheiten
einer Nylongitarre kombiniert - für mich wie auf den Leib geschneidert.
Für jazzige Sachen verwende ich eine Ibanez AS200. In allen Bass-Angelegenheiten
kommt ein Music Man Sting Ray zum Einsatz. Meinen Sound mache ich primär
mit einem Pedalboard, der Amp ist dabei eher sekundär. Das erste
Orange Blue Album habe ich komplett mit einem Roland Jazz-Chorus eingespielt.
Das Pedalboard ist folgendermaßen verkabelt: Ernie Ball Wah mit
True Bypass, TS808 Tube Screamer für alle Verzerrungen, Ernie Ball
Volumen Pedal, von da aus verzweigt das Signal parallel zu einem Tuner,
durch zwei Boss Delays DD3 und DD5 mit Tap-Delay um schließlich
in einen TC Electronics Stereo-Chorus zu enden, der das Mono-Signal wahlweise
in Stereo aufsplittet. Zur Zeit experimentiere ich mit einem Marshall
Jack-Hammer Pedal für weitere Verzerrungsmöglichkeiten. Im Studio
verwende ich noch einen 50 Watt Marshall Mark II. mit 4x12" Box.
Für meine Akustikarbeit habe ich mir für viel Geld einen High-End
Akustik Pre-Amp von der New Yorker Firma Pendulum Audio schicken
lassen. Dean Parks, ein L.A. Studio Crack hat dieses Gerät bei einem
Konzert verwendet das ich besuchte und ich war von seinem Sound sehr begeistert.
Dazu habe ich noch eine M1 T.C. Electronics Halleffekt, einen Stereocompressor
und schließlich eine Akustikgitarren Stereoanlage (Aktivboxen) von
der deutschen Firma AES. Das, zusammen mit dem Pendulum, klingt phantastisch.
Es gibt einfach Firmen, die keine Kompromisse eingehen und nur das Beste
in ihre Geräte packen, das schlägt sich natürlich im Preis
nieder, aber es lohnt sich. Zu guter letzt verwende ich Elixir Saiten,
deren Klangeigenschaften speziell meinen Akustiksound prägen.
?PG: Was steht nach der Tour an?
!RC: Ich habe jetzt ein Akustiktrio
namens Urban Nomad mit Robin Smith an den Drums und Achim Rafain
am Bass. Da werde ich mich reinknien und dann schauen wir mal was dabei
herauskommt...