Interview mit Nickelbacks Chad Kroeger

Rhythm-Talk

ein Interview von Hansi Tietgen

Im Rahmen ihres letzten Gigs in Deutschland hatten wir das Vergnügen, den Nickelback Frontman Chad Kroeger zu treffen. Ursprünglich sollte das Interview eine halbe Stunde dauern. Chad hatte aber so viel zu erzählen, dass wir im Endeffekt fast siebzig Minuten zusammengesessen haben. In dieser Zeit weihte uns der sympathische Gitarrist in die Geheimnisse seines Rhythmusgitarrenspiels ein und gab einen ganze Reihe interessanter Tipps zur Verbesserung des Timings und der Präzision . Lesen lohnt sich!

?PG: Hi Chad. Lass uns direkt in die Vollen gehen und über deine Tuning-Gewohnheiten sprechen. Welche Drop-Tunings bevorzugst du?

!Chad Kroeger: Ich verwende Drop D, Drop C und ein offenes C Tuning (C A D G B E).

?PG: Jedes neue Tuning stellt immer auch eine neue Herausforderung dar. Gerade dann, wenn man mit komplexeren Tuning-Varianten arbeitet, als dem mittlerweile fast alltäglichen Drop D Tuning . Wie gehst du vor, um dich mit neuen Stimmungen vertraut zu machen?

!CK: Vollkommen unvoreingenommen. Ich finde es grundsätzlich sehr angenehm und spannend mit unterschiedlichen Tuning-Varianten zu experimentieren. Gerade beim Komponieren. Wenn man auf einer normal gestimmten Gitarre schreibt, kann es sehr schnell passieren, dass man immer die selben Wege geht. Ein neues Tuning kann da sehr inspirierend sein und neue Türen aufstoßen. Man muss weg vom Althergebrachten

?PG: Als du angefangen hast mit offenen Tunings zu experimentieren, hast du dich da eher an traditionellen Vorgaben orientiert, oder warst du frei und hast eigene Wege gesucht?

!CK: Ich habe immer versucht eigene Wege zu finden. Ich kenne zum Beispiel niemanden, der mit einem Open C Tuning arbeitet. Und das ist auch gut so (lacht!), denn die Stimm-Variante beeinflusst mein Songwriting tatsächlich ganz extrem. Ich habe das Tuning einmal einem Freund gezeigt und kurze Zeit später kam er mit Songs an, die mir irgendwie verdammt bekannt vorkamen (lacht!).

?PG: Kanada scheint ja ein ziemlich gutes Pflaster für kreative Gitarristen zu sein. Ich denke da nur an Jeff Martin, den Frontman von The Teaparty, der ja auch sehr gerne mit abgefahrenen Tunings experimentiert.

!CK: Das kann man wohl sagen. Jeff ist ein guter Freund von mir. Wir haben mit unseren Bands schon diverse gemeinsame Gigs absolviert. Und das nicht nur in Kanada. Das letzte Festival, auf dem wir zusammen gebucht waren, war das australische M1. The Teaparty sind "Down under" eine ganz große Nummer.

?PG: Welche Amps verwendest du?

!CK: Mesa Rectifier und Vox Valvetronix Amps. Der Vox ist sehr flexibel einsetzbar und da er alle wichtigen Effekte bereits an Bord hat, kann ich auf externe Fußpedale fast verzichten. Gerade wenn man, wie wir, viel unterwegs ist, ist das eine coole Sache, die auch die Zuverlässigkeit des Set-Ups steigert.

?PG: Wie sieht es mit den Amp-Settings im HiGain Bereich aus?

!CK: Cranked (lacht!). Beim Rectifier reiße ich das Gain voll auf. Der Amp macht auch krasse Tunings klaglos mit, also ist das kein Problem. Abhängig von den Cabinets die ich verwende (Marshall oder Boogie Anm. der Redaktion) kann es allerdings vorkommen, dass ich die Bässe ein wenig redzieren muss, da sie sonst nicht mehr sauber übertragen werden und alles dicht dröhnen. Das entscheide ich aber von Fall zu Fall.

?PG: Wie sieht es im Studio aus?

!CK: Dasselbe Equipment. Allerdings verwende ich im Studio auch recht häufig das ProTools Plug In Amp-Farm (Digitales Aufnahmesystem für Mac). Amp Farm stellt mir unglaublich natürliche Simulationen der wichtigsten Amps und Cabinets bereit. Genau wie bei "Hardware" Ampmodellern, bietet mir auch das Amp-Farms die Möglichkeit, die Cabs per Knopfdruck nach belieben austauschen und solange mit unterschiedlichen Set-Ups zu experimentieren, bis ich das richtige für den gerade aufzunehmenden Song gefunden habe.

?PG: Wo wir schon mal beim Thema sind. Welche Rolle spielt die digitale Nachbearbeitung in zeitgenössischen Rock-Produktionen, in Bezug auf das Versäubern von Stops und Breaks? Ein HiGain Gitarren Sound lässt sich ja, trotz aller Abdämpf-Aktionen, im Allgemeinen gar nicht so leicht im Zaum halten und moderne Produktionen sind dennoch superclean und auf den Punkt!

!CK: Ja, mit Dämfen alleine ist da nicht viel zu wollen. Im Normalfall werden alle Gitarrenparts digital nachbearbeitet. Breaks und Stops werden geschnitten und gemutet. Nur so ist der aktuelle Standard zu realisieren. Parts kopieren ist aber tabu. Wir spielen die Songs komplett ein.

?PG: Wie lange haben die Aufnahmesessions für das letzte Album gedauert?

!CK: Fünf Wochen!

?PG: Wie sieht es bei euch eigentlich mit dem Songwriting aus. Schreibt ihr zusammen, oder machst du alles alleine?

!CK: Das eigentliche Songwriting ist komplett mein Part. Ich liefere die Einzelteile der Nummern. Die Arrangements werden dann im Band-Kontext erarbeitet. Auch Füllparts und Übergänge entwickeln wir in Teamarbeit. Das "Erjammen" von Songs ist nicht unser Ding. Unsere persönlichen stilistischen Vorlieben sind einfach zu unterschiedlich, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Es muss schon jemand da sein, der die Richtung angibt. Dann läuft es großartig. Das ganze ist natürlich keine Diktatur. Wir haben halt heraus gefunden, dass es so am besten funktioniert.

?PG: Entscheidet ihr dann gemeinsam, welche Songs auf ein Album kommen?

!CK: Ja, wir setzen uns zusammen und hören uns das Material an. Im Normalfall treffen wir diese Entscheidungen bevor wir ins Studio gehen. Songs fertig zu produzieren und dann nicht auf ein Album zu nehmen, halten wir für Zeit-, und Budgetverschwendung. Studiotage sind mittlerweile unglaublich teuer.

?PG: Lass und über deinen musikalischen Backround sprechen. Wann hast du angefangen Musik zu machen?

!CK: Ich habe mit dreizehn Jahren angefangen Gitarre zu spielen. Mein großes Idol war damals Kirk Hammett. Die 80er haben mich musikalisch geprägt und da waren Metallica ja schon dick im Geschäft. Parallel dazu war ich aber immer auch ein Fan von Shreddern wie Satriani oder Vai. Die 80er Jahre waren ein gutes Pflaster für virtuose Gitarristen. Die meisten von ihnen kennt man heute leider nicht mehr.

?PG: Hast du dich mit den HiTech Spieltechniken der wilden Shredder Generation beschäftigt?

!CK: Na klar. Ich habe viel Zeit damit verbracht Skalen und Techniken zu lernen. Leider sind Soli heutzutage nicht mehr angesagt und so habe ich viel verlernt. Überhaupt hat sich in dieser Hinsicht bei mir einiges geändert. Früher war ich ein relativ komplett ausgestatteter Gitarrist. Dann fing ich an zu singen und habe mich nach und nach mehr auf das Schreiben von Songs konzentiert. Ich spiele zwar auch heute noch ganz ordentlich, die richtig heißen "Chops" habe ich allerdings nicht mehr drauf. Was soll´s!

?PG: Ich denke, das sich eine gute Spieltechnik unmittelbar auch in der Güte und Präzision von Rhythmusriffs widerspiegelt.

!CK: Ganz sicher. Ich habe schon früher sehr viel mit dem Metronom trainiert. Denn wenn du Metallica, Megadeath oder Anthrax Riffs perfekt nachspielen willst brauchst du nicht nur eine gute rechte Hand Technik sondern auch ein superpräzises Timing. Dazu kommt noch, dass ich parallel zu meinem Gitarrenspiel, immer auch am Schlagzeug interessiert war.

?PG: Tatsächlich! Erzähl doch mal.

!CK: Mein Cousin Brandon, der erste Drummer von Nickelback, war sehr engagiert und übte intensiv. Später studierte er und war ein Jahr am P.I.T. (Percussion Institut Of Technology) in North-Hollywood. Danach besuchte er noch zwei Jahre eine Schule in Vancouver. Er ist ein verdammt guter Drummer. Immer wenn wir uns zu irgendwelchen Familienfesten trafen, oder er uns in den Ferien besuchte, zeigte er mir die Dinge, an denen er gerade arbeitete. Wir haben uns auch gemeinsam Drum-Videos von Dennis Chambers, Dave Weckl oder Buddy Rich angeschaut. Er brachte mir sogar mein eigenes Drum-Pad mit und so haben wir auf dem Sofa gesessen und Paradiddles geübt (macht es auf seinen Knieen vor). Nach einiger Zeit konnte ich die Dinger richtig schnell. Dann trainierte ich komplexere Rudiments und fing an am Set zu arbeiten. In der Folgezeit lernte ich dynamisch zu spielen und mit Ghostnotes um zu gehen. Natürlich wäre es auch cool gewesen, wenn Brandon Gitarre studiert hätte. Aber auch das Schlagzeugspielen hat mich extrem weiter gebracht. Es hilft mir sehr dabei,den anderen Bandmitgliedern meine Songvorschläge näher zu bringen. Ich setze mich ans Set und spiele den Groove, den ich mir vorstelle. Außerdem hatte das Training natürlich auch direkte Auswirkungen auf die Präzision meiner Riffs. Ich kann exakt das Tempo halten und absolut korrekt auf dem Beat spielen. Und das ist ne´Menge (lacht!).

?PG: Coole Sache. Spielt ihr live mit Click?

!CK: Nein, nie. Das ist nicht gut für das "Live Feel". Die Performance wird irgendwie statisch. On Stage spielen wir die Nummern im Allgemeinen sowieso einen Tick schneller. Das gibt dem ganzen mehr Energie und Druck. Das schlimmste was einem passieren kann ist, einen Song zu langsam zu spielen. Wenn man das Publikum beobachtet, kann man sehen, wie die Energie schwindet. Auch ursprünglich langsamere Songs wie z.B. "Hollywood" spielen wir live schneller. Dann läuft es einfach besser.

?PG: Hast du ein paar Tipps, wie Gitarristen ihr Rhythmusgitarrenspiel verbessern können?

!CK: Ja klar. Man sollte auf jeden Fall üben, parallel zum Gitarrespielen zu singen. Das hilft eine Unabhängigkeit auszubilden, die sich unmittelbar in der Präzision der Performance widerspiegelt.

?PG: Wie kann man das am besten Üben?

!CK: Wenn man noch keine Erfahrungen gesammelt hat, sollte man zunächst sehr, sehr langsam spielen und einen einfachen, gleichmäßigen Rhythmus, ohne Variationen wählen. Dann muss man sich bewusst machen, an welchen Stellen im Riff die "Lyrics" starten oder enden. Trotzdem wird es am Anfang recht hart sein. Man braucht viel Geduld. Es bietet sich an Songs zu trainieren, die jeder kennt. Zum Beispiel von den Beatles. Das macht es leichter. Außerdem sollte man zunächst nur eine Nummer üben. Es macht keinen Sinn heute den, morgen jenen Song lernen zu wollen. Das kann man dann immer noch machen! Wenn man merkt, dass ein einfacher Rhythmus in gemäßigtem Tempo sitzt, sollte man anfangen das Tempo zu steigern. Ist das Originaltempo erreicht, ist es an der Zeit auch Rhythmusvarianten ins Spiel zu bringen. Am besten man schraubt dann das Tempo wieder etwas herunter. So hat man eine bessere Kontrolle. Mir hat die Unabhängigkeit geholfen, die ich beim Schlagzeugspielen erworben habe. Unsere Riffs sind mitunter sehr komplex. Die Sachen, die ich auf der Gitarre spiele unterscheiden sich in Sachen Phrasing und Rhythmik doch sehr von meinem Gesang. Nimm nur den Song "Woke Up This Morning" (spielt das Mainriff). Das ist mein Rhythmuspart und das ist die Gesangslinie (singt). Weißt du, was ich meine?! Es ist schon ziemlich hart, alles gleichermaßen präzise unter einen Hut zu kriegen.

?PG: Du spielst seit 15 Jahren Gitarre. Bist du immer noch heiß, neue Sachen zu lernen.

!CK: Nein, eigentlich nicht. Zumindest nicht auf der E-Gitarre. Ich bin kein besonders guter Fingerpicker und Akustik-Gitarrist. In der Hinsicht gäbe es noch einiges zu tun. Heutzutage sehe ich mich als ausreichend guter Gitarrist, ausreichend guter Sänger, aber als sehr guter Songwriter. Ich glaube ich habe für Nickelback ein paar ziemlich gute Songs geschrieben. Weißt du es ist so: "If I am in a room full of singers, I call myself a guitar player. If I am in a room full of guitarplayers, I call myself a singer and if I am in a room full of both, I call myself a songwriter" (lacht!). Das nimmt den Druck raus!

?PG: Kannst du dich noch daran erinnern, an welchem Punkt deiner Laufbahn dir richtig bewußt geworden ist, das du ein Talent zum Schreiben hast?

!CK: Eigentlich habe ich schon sehr früh damit begonnen Songs zu schreiben. Mir wurde dann auch sehr schnell klar, das es wesentlich wichtiger ist Songs im Repertoire zu haben, die den Leuten nicht mehr mehr aus dem Kopf gehen, als wildes, virtuoses Zeug anzubieten. Das war die wichtigste Erkenntnis meiner frühen Jahre.

?PG: Okay Chad. Danke für das ausführliche Interview und viel Spaß heute Abend bei eurem Gig.

Einen umfangreichen Nickelback Workshop findest du in unserem Archiv.

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