Hughes & Kettner - Verstärkerbau aus Leidenschaft

Die saarländische Firma Hughes & Kettner gehört seit vielen Jahren zu den Topnames im internationalen Boxen- und Verstärkerbau. Da man eher selten die Gelegenheit dazu bekommt, einen Blick hinter die Kulissen der Produktion von Amps 'n' more zu werfen, nutzte Hansi Tietgen einen Besuchstermin im schönen St. Wendel, zu einem Boxenstop der ganz besonderen Art.

Gegründet wurde die Firma in den 80ern von dem Dipl. Ingenieur Lothar Stamer. Was als Garagen-Event begann, entwickelte sich - dank intensiver Entwicklungsarbeit und cleverem Marketing - sehr schnell zu einem der angesagten Brands im Rock- und Pop-Zirkus. Die Produktpalette reicht hierbei von Monitorboxen, über Gitarren- und Bassamps, bis hin zu Groß-P.A.s zur Beschallung von schalldruckintensiven Ereignissen wie Open Air-Konzerten und ähnlichen Veranstaltungen.

Hierbei setzte man von jeher drauf - zwecks optimaler Qualitätssicherung - jeden Produktionschritt unter einem Dach zu behalten. Eine Tatsache, die sich natürlich auch auf die Arbeitsweise im St. Wendeler Werk auswirkt. Unser Besichtigungstour startet, unter kompetenter Führung von Stefan Fischer, dem Marketingchef der Firma, in der hauseigenen Schreinerei.

Ganz pauschal kann man sagen, dass alle Boxen und Amps die das Haus verlassen, aus zwei verschiedenen Materialien gefertigt werden. Die Gehäuse von Amps wie dem Zentera, der Edition Tube Serie, oder auch hochwertige P.A.-Boxen bestehen aus russischem Birken-Schichtholz (Multiplex), das sich Dank seiner günstigen Klangeigenschaften, ideal für den Boxenbau eignet. Und diese Wahl war alles andere als willkürlich. Bevor man sich im Hause Hughes&Kettner für eben dieses Material entschied, testete man diverse Hölzer unterschiedlicher geografischer Herkunft auf ihre physikalischen und akustischen Eigenschaften. In der Testphase stellte man fest, dass sich selbst minimale Unterschiede in Dichte und Qualität, unmittelbar auf den Sound der Boxen/Amps auswirkte. Ausgestattet mit einer detektivischen Akribie fand man schließlich den Anbieter, dessen Produkt durch eine gleichbleibende Wertigkeit den vorgegebenen Parametern entsprach. Und wenn ich bei diesem Besuch eines gelernt habe, dann ist das: Im Verstärkerbau bleibt wirklich gar nichts dem Zufall überlassen. Selbst die Elektronik und die von der Firma Celestion hergestellten Speaker werden, entsprechend den Klangeigenschaften des Gehäuses, konzipert und eingestellt. Diese Arbeitsweise greift auch beim MDF, dem zweiten für den Gehäusebau eingesetzten Material.

Computergesteuerte Fräse

Bei MDF handelt es sich um eine aus Holzmehl gefertigte Platte, die sich Dank ihrer Dichte und faserlosigkeit, ideal für den Boxenbau eignet. Der, im Vergleich zum Birken-Multiplex günstigere Preis und die gleichbleibende Qualität des Materials, erlaubt es den Hughes& Kettner-Ingenieuren, auch die Amps und Boxen der mittleren und unteren Preisregionen mit hervorragenden Klangeigenschaften auszustatten. Wie eben schon erwähnt, werden auch hier Elektronik und Speaker in idealer Weise auf die akustischen Werte des verbauten Werkstoffs eingestellt; man sorgt so, für eine optimale Ausnutzung des Wirkungsgrads der jeweiligen Box.

Aber es gab noch einen weiteren Grund, der dazu beitrug, dass man sich im Endeffekt für das MDF entschied. Die Tatsache nämlich, dass seine Struktur ein problemloses Bearbeiten mit automatisierten Fräsen zuließ, erleichte die Produktion enorm und ließ sie so noch kostengünstiger werden. Man mußte also, um auch die niedrigeren Preisregionen mit guten Amps versorgen zu können, nicht an Features wie zum Beispiel einem zusätzlichen dritten Kanal sparen, sondern konnte weiterhin aus dem Vollen schöpfen.

Aber auch Handarbeit ist bei der Oberflächenbhandlung ein Thema

Leimroboter
Oberflächenbehandlung per Hand

Nachdem die Boxen-Gehäuse zusammengebaut worden sind, warten sie im Lagerbereich der Schreinerei auf ihre jeweilige Oberflächenbehandlung. Hierbei bilden sich mit schöner Regelmäßigkeit imposante Bestände, deren Anblick das Herz eines jeden Rock 'n' Rollers mit Sicherheit höher schlagen läßt.

Nur keine Oberflächlichkeit - Lack und Leder im Einsatz

Setzte man früher - gerade was die Oberflächenbehandlung von kleineren Boxen und Amps anging - auf die Beflauchung mit Kunststoff-Fasern, hat man die Produktion im Hause Hughes& Kettner in bestimmten Bereichen der Range mittlerweile auf eine strapazierfähige Lackierung umgestellt. Der Lack ist eine Spezialmischung, die mit ihren hohen Gummi und Teflon-Anteilen, nicht nur überaus robust den Unbilden des Roadalltags trotzt, sondern auch einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum jeweiligen Soundverhalten der Amps und Boxen leistet, deren Oberfläche er gerade verziert. Somit wird es sicher niemanden verwundern, dass der entgültigen Wahl des verwendeten Lackes, ebenfalls unfangreiche Testläufe vorgeschaltet waren. Schließlich wollte man auch in diesem Bereich wirklich nichts dem Zufall überlassen.

Die rohen Boxen (hier Monitore) kommen auf einer aqusgeklügelten Bandstrasse am Ort des Geschehens an und werden von Hand in eine Spezialmaschine eingehängt, die sie dann den einzelnen Phasen der automatisierten Lackierung zuführt.

Jeder der computergesteuerten Roboter übernimmt hierbei einen ganz speziellen Arbeitvorgang: Automat 1 sorgt für die Lackierung der Kanten, der zweite übernimmt die Flächen und Robby Numero 3 sorgt für die Struktur der Oberfläche.

Oberflächlichkeit - Teil 2

Wie ich ja schon mehrfach erwähnt habe, ist beim Verstärkerbau nichts dem Zufall überlassen. Wen wundert es also, dass die Herren Ingenieure auch bei der Auswahl des Kunstleders, das die Oberfläche von Amps wie dem Zentera, der Edition Tube oder auch den Duotone Amps veredelt, alles unter Kontrolle haben wollten. Denn Tatsache ist, dass die geübten Ohren im Hause auch im Falle dieser Oberflächenschutz- und Verzierungsmaßnahme , eine unmittelbare Verbindung zwischen den Materialeigenschaften und dem jeweiligen Amp-Sound feststellten. In einer, für den Endverbraucher überaus erfreulichen Mischung aus Pragmatismus und dem Streben nach Perfektion, testete man diverse Kunstleder-Varianten, bis man schließlich mit dem Klangresultat so zufrieden war, dass zur Serienproduktion übergegangen werden konnte. Die Bespannung der Gehäuse wird übrigens in Handarbeit erledigt.

It's A Long Way To Rock ´N´Roll Heaven

Nachdem die Gehäuse ihr ergebnisorientiertes Facelifting hinter sich gelassen haben, geht es zur Endmontage in die nächste Halle. Hier werden Speaker und Elektronik installiert und jedes einzelne Teil einer intensiven Endkontrolle unterzogen

Aber keine Sorge, hier ist noch lange nicht Schluß. Wir wollen uns jetzt einmal anschauen, wie es in der Elektronik-Abteilung zugeht.

Das Herzstück der Sektion Elektronik ist, laut Stefan Fischer, das Materiallager. Hier werden alle zu verwendenden Bauteile aufbewart und schon im Vorfeld auf Herz und Nieren geprüft. So schließt man von vornherein aus, dass faulen Eier auf den Platinen landen und bei der Endkontrolle unnötige Probleme machen. Die Bestückung der Platinen erfolgt vollautomatisch, durch einen individuell zu programmierbaren Bestückungsautomaten.

Um kalten Lötstellen keine Chance zu geben, hat man sich im Hause Hughes&Kettner darauf verlegt, den kompletten Lötvorgang in einer speziellen, vollautomatisch arbeitenden, Apparatur erledigen zu lassen.

Die Tatsache, dass hier alle nötigen Verbindungen auf einen Rutsch geschlossen werden, gewährleistet eine gleichbleibende Qualität des Endproduktes

Nachdem die Montage der Bauteile abgeschlossen ist, werden alle Schaltungen noch einmal auf Herz und Nieren geprüft. Hierzu haben die Ingenieure -individuell für jeden Gerätetyp- spezielle Testapparaturen entwickelt, die etwaige noch vorhandene Fehler sehr schnell aufspüren können. Dabei geht es nicht nur um grobe Störungen wie zum Beispiel den berüchtigten kalten Lötstellen. Die Elektronik eines Verstärkers ist ein komplexes Gebilde und der Sound eines Amps hängt maßgeblich von der Einhaltung der, während der Entwicklung gefundenen, elektrischen Werte der einzelnen Bauteile ab. Damit man nach der Endmontage keine bösen Überraschungen erlebt, werden alle verbauten Teile der Platinen auf diesen Standard hin durchgecheckt und bei eventuelle auftretenden Auffälligkeiten, aus dem Verkehr gezogen.

Wenden wir uns derweil bodenständigeren Tätigkeiten zu. Parallel zu diesen komplexen Tests, werden die Chassis der Amps in der Abteilung Siebdruck mit den, für eine optimale Bedienung notwendigen, Aufdrucken versehen.

Per Siebdruck werden Infos wie Bass, Middle, Gain auf der Stirnplatte des Amps aufgebracht.

Siebdruckmaschine und bedruckte Zentera Chassis

Füge zusammen, was zusammen gehört

Langsam aber sicher nähern wir uns dem Höhepunkt der Veranstaltung- Der entgültigen Endmontage. Bevor das jedoch passieren kann, werden die in der Elektronikabteilung getesteten Platinen, von geschickten Händen in die Amp Chassis eingebaut.

Und dann ist es endlich soweit: Alle Teile, deren Entstehen wir live und in Farbe verfolgt haben, treffen sich in der Sektion Endmontage.

Wir rekapitulieren schnell noch mal: Das in der Schreinerei aus russischem Birken-Schichtholz gefertigte und mit speziellem Kunstleder bespannte Zentera-Gehäuse, trifft hier auf die speziell von Celestion entwickelte Speaker und die auf Herz und Nieren geprüfte und in das entsprechende Chassis verbrachte Elektronik. Wow! Ein Megasatz, passend zu einem Mega-Event.

Nach dem, fast sakrale Formen annehmenden Prozess der Endmontage, heißt es jetzt noch einmal:Prüfe wer sich ewig bindet. Mit dem nötigen gitarristischen Geschick und guten Ohren ausgestattete Techniker haben das Vergnügen jeden der Amps, die die heiligen Hallen nun bald verlassen werden, noch einmal auf Herz und Nieren (und alle Funktionen) im Livebetrieb zu testen.

Das geschieht in einer, speziell für diesem Zweck eingerichteten Testkabine, in der nach Lust und Laune und natürlich entsprechend eines speziellen Testprozederes, abgerockt wird was das Zeug hält. Gehen Daumen und Mundwinkel des Technikers nach oben, hat es der Amp geschafft und er findet seinen Weg in den Versand wo er, neben anderen auserkorenen Kollegen, auf den Transport in die große, weite Welt wartet. Ein bezaubernder Anblick:

Jetzt schnell noch einen Kaffee und dann ins Auto und ab nach Hause, um die gerade gemachten Eindrücke, brühwarm ins geschriebene Wort umzusetzen. Bis demnächst.

Hansi Tietgen

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