Interview mit Kieran Goss

?PG: Hi Kieran, wir haben uns das letzte Mal im November 99 während der Promo-Tour zu deinem Album Worse Than Pride getroffen. Jetzt, im Sommer 2000 sehen wir uns wieder und du hast tatsächlich schon eine neue Scheibe, das Album Red Letter Day, im Gepäck. Du scheinst ja wirklich sehr fleissig zu sein ?!?

!KG: Nicht übertrieben, denke ich. Es mag zwar auf den ersten Blick so aussehen, da die beiden Alben in Deutschland innerhalb kürzester Zeit hintereinander erschienen sind. Das liegt aber wohl eher daran, dass Worse Than Pride hierzulande mit einer ziemlichen Verzögerung auf den Markt gekommen ist. Als wir uns im November getroffen haben, waren die Aufnahmen zu meinem neuen Album Red Letter Day tatsächlich bereits im Kasten und ich nutzte die freie Zeit um Worse Than Pride in Deutschland zu promoten.

?PG:Red Letter Day fällt im Vergleich zu deinem Worse Than Pride-Album, noch eine Spur purer und akustischer aus. Ausgehend von diesem Ansatz gestaltet sich dein Songwriting sehr offen und stilistisch flexibel. Neben wunderschönen Songs die im Folk/Country-Genre wurzeln, kann man aber auch einige echte Pop-Perlen geniessen die durchaus einen, im positivsten Sinne des Wortes, kommerziellen Charakter haben. Nehmen wie zum Beispiel Unconditionally Yours, eine Nummer, die sich nicht beim ersten Hören als typischer Kieran Goss-Song zu erkennen gibt. Erzähl' doch mal, wie dieser Song entstanden ist ?

!KG: Ich habe in den letzen Jahren damit angefangen, Songs in Kooperation mit anderen Komponisten zu schreiben. Weißt du, wenn es einem Künstler in Irland gelingt, ein erfolgreiches Album auf den Markt zu bringen, dann hat das sehr häufig die Nebenwirkung, dass plötzlich jeder mit dir schreiben möchte (lacht). Es ist so, als würde man davon ausgehen, ein Erfolg wäre immer wieder zu reproduzieren. Aber das ist natürlich nicht so. Manchmal ist es einfach nur pures Glück, dass man gerade genau den Nerv des Publikums getroffen hat. Lange Rede, kurzer Sinn. Einer der Leute die ich so kennen gelernt habe, war Ray St. John. Er veröffentlicht keine Alben unter eigenem Namen sondern hat sich ausschließlich darauf spezialisiert, für andere Künstler zu schreiben. Einer seiner grössten Erfolg war der Sade-Song Smooth Operator, eine echt coole Nummer, wie ich finde. Außerdem hat er für die Spice Girls gearbeitet und es gelang ihm auch hier, einige grosse Erfolge abzuliefern .

?PG: War Unconditionally Yours auch eine Auftragskomposition für einen anderen Künstler, oder sollte der Song von vornherein für eines deiner Alben produziert werden?

!KG: Ray kam mit der Idee zu mir, einen Song für eine englische Girl Band zu schreiben. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nie daran gedacht, einmal in dieses Genre vorzustossen, empfand das Ganze aber als eine echte Herausforderung. Zu Beginn unserer Session lief es nicht so gut. Uns fehlte irgendwie die zündende Idee. Bis mir beim zwanglosen jammen diese Akkordfolge über den Weg lief. Nachdem wir den Basisgroove hatten, ging alles wie von selbst. Ray nahm dann eine Demo-Version des Songs auf, die mir persönlich aber nicht so gut gefiel. Irgendwie klang es wie die Spice Girls auf Speed. Ich habe mich dann daran gemacht, eine eigene Variante an den Start zu bringen. Sie sollte modern klingen, aber eben doch akustisch und ich glaube das ist uns gelungen.

?PG:Was ist deiner Meinung nach der Grund dafür, dass es gerade in Irland so viele ganz hervorragende Songwriter gibt?

!KG:Irland war ein rauhes Land und die Menschen mussten zusammenhalten um etwas zu erreichen. So entwickelte sich eine soziale- und zwischenmenschliche Wärme, die sich in einer besonderen Kommunuikationsfähigkeit und dem starken Wunsch nach gemeinschaftlichen Aktivitäten äußerte. Diese Tendenz ist auch heute noch zu spüren. Wir haben eine sehr aktive Musikszene und in jedem Club und Pub gehört Live-Musik einfach dazu. Junge Musiker haben so die Chance, sich zu präsentieren und zu lernen, mit dem Publikum zu arbeiten. Bands wie die Dubliners, haben diesen kommunikativen, irischen Geist in die Welt hinausgetragen, was nicht immer nur Vorteile hatte. Als ich zum ersten mal nach Deutschland kam und erzählte, dass ich aus Irland stamme und Songs schreibe, musste ich erst einnal gegen das eingefahrene Guiness and Green Jumpers Image ankämpfen. Trotzdem bin ich Bands wie den Dubliners sehr dankbar. Sie haben irischer Musik das Tor zur Welt geöffnet. Sie gingen geradeaus und ich bog scharf nach links ab. Versteh' mich nicht falsch. Ich schätze ihre Musik sehr, aber es gibt eine sehr starke zeitgenössische Musikszene, die sich dank Bands wie Rory Gallagher, U2,Sinnead O'Connor oder den Corrs auch international auf Spitzenplätzen etablieren konnte.

?PG:Aber auch die EMRO, eine Organisation die mit unserer Gema zu vergleichen ist, hilft dabei etablierte irische Songwritier mit anderen, international erfolgreichen Schreibern zusammen zu bringen, um so die irische Songwriting-Traditionen noch weiter zu verbreiten. Wie genau läuft das ab?

!KG:Jedes Jahr lädt die EMRO zehn bekannte amerikanische Songwriter nach Irland ein. Diese werden dann, zusammen mit zehn irischen Kollegen, in einem Hotel einquartiert, um in wechselnden Besetzungen Songs zu schreiben.Die ganze Aktion ist sehr interessant und hilft den beteiligten Künstlern dabei, sich auch im jeweiligen Partnerland zu etablieren. Wenn ein amerikanischer Komponist also einen Song an den Start bringen möchte, der auch in Irland ein Erfolg sein soll, schreibt er am besten mit einem der angesagten irischen Künstler. Das gleiche funktioniert natürlich auch auf dem umgekehrten Weg. Du siehst, das Ganze ist eine sehr effektive Angelegenheit.

?PG:Du hast, neben all diesen Aktivitäten, vor einiger Zeit auch dein eigenes Label gegründet. Was hat dich dazu bewogen, diesen Schritt zu tun?

!KG:Einige Jahre lang, habe ich all diese business-typischen Dinge mitgemacht. Ich hatte Manager und einen Deal mit einem der grössten Labels.Trotzdem fühlte ich mich nicht wohl. Die Industrie hat eine starke Tendenz, Künstler in Kategorien einzuteilen. In den letzten 20 Jahren haben die Labels das aus den Augen verloren, worum es eigentlich geht: Den Künstler und seine Musik. Das Besondere am Rock 'n' Roll war immer auch seine Individualität. Daraus schöpfte die Musik ihre Kraft. Die ganze Szene ist zu einem Geschäft verkommen. Natürlich sehe ich ein, dass dieser Aspekt sehr, sehr wichtig ist, aber meiner Meinung nach stimmt die Reihenfolge nicht mehr. Zuerst sollte die Kreativität kommen, die Musik. Danach kann man sich darum kümmern, das entstandene Produkt zu vermarkten. Man darf nicht ans Business denken, wenn man komponiert. Das Ganze sollte ein persönlicher Prozess sein, bei dem es nur um die Musik geht.

?PG: Zu welchem Zeitpunkt deiner Karriere hast du dich dazu entschlossen, deinen eigenen Weg zu gehen?

!KG: Das ist mittlerweile zwei Jahre her. Worse Than Pride war das erste Album, das ich auf meinem eigenen Label veröffentlicht habe. Im Vorfeld hatte ich ungefähr ein Jahr Zeit, in dem ich Geld besorgte und mich um gute Mitarbeiter kümmerte. Ich suchte Leute mit Enthusiamsmus und Liebe zur Musik, die wussten wie man mit Menschen umgeht. Um etwas zu erreichen muss man Respekt vor anderen Menschen haben. Egal ob es die Putzfrau, oder ein wichtiger Journalist ist. Gerade in meinem Job ist das sehr wichtig. Zwar geht es um meine Musik, aber wenn der Vertrieb nicht gut ist, verkaufe ich keine Platten. Wenn die PR nicht stimmt, läuft auch nichts. Und das ist das schöne an meiner eigenen Firma. Jeder meiner Mitarbeiter soll das Gefühl haben, ein wichtiger Teil eines gut funktionierenden Getriebes zu sein.

?PG: Du kannst, abgesehen von deinen aktuellen Erfolgen, auch auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken. Du hast mir bei unserem letzen Treffen erzählt, dass du einige Zeit als Straßenmusiker in Deutschland unterwegs warst. Wie ist es eigentlich dazu gekommen?

!KG: Ich habe in Belfast Jura studiert. In den Sommerferien fragten mich einige Freunde ob ich nicht Lust dazu hätte, mit ihnen nach Düsseldorf zu gehen,um dort in einer Uhren-Fabrik zu jobben. Ich sagte spontan zu und so ging es los. Da ich keine Arbeit hatte verbrachte ich meine Zeit damit, durch die Stadt zu bummeln. An jeder Ecke gab es Straßenmusiker, die allem Anschein nach auch ganz ordentlich verdienten. Abends erzählte ich meinen Freunden von meinen Erlebnissen. Innerhalb kürzester Zeit gelang es mir sie davon zu überzeugen, dass wir eigentlich viel besser spielen konnten und das die Arbeit in der Fabrik nun wirklich nicht sonderlich erstrebenswert sei. Wir waren uns schnell einig und begannen damit, uns ein kleines Repertoire an Songs draufzuschaffen. Und du wirst es nicht glauben, schon nach der ersten Stunde On The Road hatten wir fast hundert Mark zusammen. Das war überzeugend und wir verlegten unsere beruflichen Aktivitäten ganz auf das Bosking. Wir blieben eine zeitlang in Düsseldorf und zogen dann nach Köln um.

?PG: Wo habt ihr gewohnt?

!KG: Wir hatten das Glück ein paar Landsleute zu treffen, die uns ein Appartement zur Verfügung stellten, dass den Sommer über leer stand. Wir verbrachten die restliche Zeit der Ferien in Köln. Ich bin dann nach meinem Studium noch einige Male zurückgekehrt und habe ein paar Monate hier verbracht. Doch irgendwie war alles anders. Ich hatte ein abgeschlossenes Studium in der Tasche und konnte ganz relaxt an die Sache herangehen. Ich wusste, ich konnte jederzeit wieder aussteigen. Doch wie das Schicksal so spielt. Der Erfolg mit meiner eigenen Musik wuchs stetig an und irgendwann habe ich die Juristerei komplett an den Nagel gehängt. Und hier bin ich !

?PG: Vielen Dank für das nette Gespräch und viel Erfolg auf deiner Tour durch Deutschland.

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