Special - Basslegende Will Lee

von Oliver Poschmann

Während der Musikmesse in Frankfurt war Bass-Ass Will Lee die Hauptattraktionen am Yamaha-Stand. Planet Guitar Tiefsaiten-Spezialist Oliver Poschmann ließ sich die Chance nicht entgehen und traf den König der New Yorker Studiobassisten-Szene backstage zu einem netten Pläuschchen.

Man mag seinen Namen kennen oder nicht - gehört hat man seine Basskünste auf jeden Fall schon einmal. Will Lee zählt zu den meistgebuchten Bassisten der Welt und trägt in Insiderkreisen den Titel Busiest Bassplayer In New York. Neben seinen zahlreichen Studio- und Liveeinsätzen spielt er nunmehr seit 20 Jahren in der Band der David Letterman Show, der Nr. 1 der USA Late-Night-Shows, und hat somit den mittlerweile wohl beständigsten Gig auf der ganzen Welt. Die Auflistung all seiner Studiosessions und Recordings würde den kompletten Platz dieser Story in Anspruch nehmen. Daher empfehlen wir dem Rechercheinteressierten, den Link auf Wills Homepage anzuklicken.

Hier nur ein kleiner Auszug aus seinem großen Job-Almanach: Joan Armatrading, Patti Austin, Jeff Beck, Bee Gees, George Benson, Michael Bolton, Irene Cara, Brecker Bros., Cher, Chorus Line, Roberta Flack, Mick Jagger, Chaka Kahn, Billy Joel, Barry Manilow, Branford Marsalis, Pat Metheny, Liza Minelli, Diana Ross, Streisand, etc., etc., etc....

History
Will stammt aus einer sehr musikalischen Familie in Texas. Beide Elternteile waren große Jazzfans und so gehörte es zum guten Ton, dass man im Hause Lee BeBop hörte. Sein Vater war ein hervorragender BeBop-Pianist und seine Mutter sang oft dazu. Alles in allem praktizierte man bei den Lee's also eine Art Hausmusik, von der man hierzulande nur träumen kann. Anfangs bekam Will Klavierunterricht. Da er aber den Lehrer nicht sonderlich mochte, stieg er mit 6 Jahren auf die Violine um. Da auch Wills Bruder ein Instrument lernen sollte entschied sich sein Vater damals dazu, ihm das Trompetespielen beizubringen. Leider ohne viel Erfolg. Stattdessen war es Will, der aus der Trompete seines Bruders eine Menge herausholen konnte. Er blieb bei diesem Instrument und spielte als Jugendlicher sogar als erster Trompeter in diversen Highschool-Formationen. Später wechselte er dann auf das French Horn.

Während seiner Highschoolzeit begannen gerade die Beatles in den USA bekannt zu werden und die TV-Übertragung des legendären Beatles-Konzertes in der Ed Sullivan Show, inspiriert den zwölf Jahre alten Will dazu, mit dem Schlagzeugspielen anzufangen. Noch im selben Jahr zog er mit seiner Familie nach Miami/Florida um. Dort angekommen stieg er in seine erste Band ein die - wie sollte es auch anders sein - Surfmusic und Beatles Songs spielte. Hier war er, neben seinem Job als Schlagzeuger, auch noch für die Leadvocals zuständig. Da die Band keinen Bassisten finden konnte - niemand wusste zu dieser Zeit etwas mit dem Instrument Bass anzufangen - erklärte Will sich dazu bereit, Bass zu spielen und stattdessen jemanden für die Drums zu suchen. !WL: Da ich zu diesem Zeitpunkt der Leadsinger der Band war, stellte ich bei der ersten Probe mit Schrecken fest, wie schwierig es doch eigentlich ist, zu singen und gleichzeitig auch noch Bass zu spielen. Da wir mittlerweile bereits einen neuen Drummer engagiert hatten, gab es für mich aber keinen Weg mehr zurück. Also blieb mir nichts anderes übrig als mit dem Job des singenden Bassisten klarzukommen. An dieser Hassliebe hat sich bis heute nichts geändert. Bei jedem neuen Song kommt es mir so vor, als hätte ich es noch nie zuvor gemacht. Sobald ich mich zu stark und lange auf den Gesang konzentriere, leidet mein Bass-Spiel. Richte ich dann mein Hauptaugenmerk wieder auf den Bass , leidet der Gesang. Es ist wirklich hart. Also bin ich dazu gezwungen meinen Focus ständig zwischen Gesangs- und Basspart hin und herspringen zu lassen. Es gibt einige Weltklasse-Bassisten, die dieses Genre perfekt beherrschen. Ich denke da nur an Paul McCartney, Mark King oder Sting.

?PG:Wann hast du dich dazu entschlossen, eine professionelle Musikerlaufbahn einzuschlagen?

!WL: Damit das passieren konnte, musste ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein - und dieser Ort war New York. 1971 spielte ich auf einer Jamsession in Coconut Grove Florida, an der auch ein Saxophonist namens Gary Campbell teilnahm. Er flog nach der Jam zurück nach New York und erzählte Michael und Randy Brecker von mir. Zu dieser Zeit spielten die Brecker Brothers, zusammen mit Billy Cobham, in einer Band mit dem Namen The Dreams. Zufällig war ihr damaliger Bassist, der legendäre Chuck Rainey gerade im Begriff, die Band zu verlassen. Ich erinnnere mich noch gut: Eines Tages ging ich in Miami zu einer Big Band-Probe und fand auf meinem Notenpult die Notiz Bitte um Rückruf! Randy Brecker.... Ich musste wirklich kurz überlegen, woher ich den Namen kannte. Dann fiel es mir ein: Ich kannte ihn von diesem Dreams-Album, dass zu meiner Highschoolzeit total angesagt war und das ich in- und auswendig kannte. Ich wurde also tatsächlich nach New York geholt, um vorzuspielen. Es kam mir irgendwie vollkommen utopisch vor. Sie wussten damals nicht, dass ich ihre Musik so gut wie auswendig kannte und ich schwebte förmlich durch die Audition. Billy Cobhams geniale Time tat den Rest und war eine große Hilfe für mich. Außerdem kam es gut an, dass ich auch singen konnte. Ich bekam den Gig und so zog ich 1971 nach New York und habe seitdem nie mehr daran gedacht, dort wieder wegzugehen.

Ein Jahr später, nach dem Weggang von Billy Cobham, brach die Band auseinander. Ich hatte aber das Glück, mit Hilfe von einigen meiner Bekannten, in die elitäre New Yorker Studioszene eingeführt zu werden. Eines Tages vermittete mir Steve Gadd den Job, bei einem Werbejingle für Contac Erkältungskapseln Bass zu spielen. Als ich nach der Session das Studio verlassen wollte, fragte mich einer der Komponisten, ob ich eventuell einen Sänger mit einer weißen Bluesstimme kennen würde. Ich fragte ihn laut singend You Mean Like Yeahhhe.... und so fragte er mich kurzerhand, ob ich am nächsten Tag Zeit hätte auch den Gesangspart auf diesem Jingle zu übernehmen. Kurze Zeit später spielte und sang ich für einen Kentucky Fried Chicken Commercial und die Produzentin, eine der bekanntesten zu dieser Zeit, war so begeistert, dass ich für sie die nächsten 15 Jahre arbeitete - singend UND spielend. Das alles passierte nur, weil ich in New York war, es wäre nie passiert, wenn ich in Miami geblieben wäre.“

Was mir bei all dem sicherlich noch geholfen haben mag, ist die Tatsache, dass ich jeden Gig so behandele, als ob es mein letzter wäre. Ich bin überzeugt, diese Einstellung hilft dabei, einen guten Job zu machen. Ich erwarte nie, dass nach dem heutigen Gig ein nächster kommt und als Resultat kam bisher immer ein nächster - aber ich erwarte es nicht.

?PG:Wie hat man sich denn den typischen Tagesablauf eines so beschäftigten Bassisten forzustellen?

!WL:Ich brauche jeden Tag 2 Stunden zum Frühstücken. Danach erledige ich Büro- und Telefonarbeit und verbringe viel zu viel Zeit ONLINE! Dann spiele ich meistens eine Session im Studio, fahre gegen 15:45 Uhr zur Letterman Show und bin um 18:30 Uhr fertig. Nach der Show kommt meistens noch eine Session und/oder ein Gig. Das ist mein Tagesablauf von Montag bis Donnerstag.

?PG: Wie bist du ursprünglich eigentlich an den Letterman-Job rangekommen?

!WL:Das lief damals über Paul Schaeffer. Zunächst war eine Pilot-Teststaffel von 13 Wochen geplant, die dann um 13 Wochen verlängert wurde. In dieser Zeit stiegen finanzkräftige Sponsoren in das Projekt ein und die Letterman Show ging, auch was die Publikumsresonnanz betraf, auf Erfolgskurs. Und das hält mittlerweile seit zwanzig Jahren an. Zurück zum Job. Paul gibt keine Charts aus, es sei denn, es handelt sich um ein aufwendiges Broadway-Stück oder ähnliches. In solchen Fällen heuert er jemanden an, um für die komplette Band die Charts zu schreiben. Meistens ist es aber so, dass wir vorab Tapes von den Songs bekommen, die wir in der Show spielen werden. Wir können uns dann vorbereiten, wie wir wollen. Die Einen bevorzugen eher das auswendig lernen, ich stehe aufs aufschreiben. Im Prinzip spule ich mich einmal Sektionsweise durch den Song und habe so, in kürzester Zeit, alle wichtigen Parts fertig ausnotiert. Kurz vor der Show wird dann noch mal geprobt und das wars. Wir nennen solche Songs Bumpers, sie „bumpen“ uns raus aus der Show in einen Commercial und dann wieder zurück in die Show.

?PG: Du hast auch eine Reihe von Bass Sampling CDs produzierte. Warum hast du das eigentlich gemacht, schließlich gehen echten Musikern, durch die immer häufiger verwendeten Sampling und Sequenzing-Techniken, viele Jobs verloren?

!WL: Ich konnte nirgendwo eine gescheite Bass-Sampling CD finden, es gab einfach keine. Ich wollte aber, dass ein am Keyboard gespielter Bass so klingt, wie ein richtiger Bass im Studio - mit allen Nebengeräuschen, Bundrasseln, Saitenrutschen, etc. . Außerdem nahmen schon viele Nichtbassisten solche CDs auf und ich dachte mir damals, dass wenigstens ein richtiger Bassist diesen Job erledigen sollte, denn passieren würde es sowieso.

?PG: Du bist, was die Wahl deiner Jobs betrifft, sehr flexibel. Wie kommt es zu der Ansammlung so verschiedenartiger und mannigfaltiger Tätigkeiten?

!WL: Das hat einen einfachen Grund. Ich bin ein nicht-fokussierter Mensch. Ich mag es, millionen Dinge gleichzeitig zu tun oder eine Sache sehr kurz abzuarbeiten, um dann wieder schnell etwas Neues machen zu können. Außerdem wollte ich niemals in eine Nische gedrängt werden, so frei nach dem Motto: Dass ist es was er kann und das wars... .

?PG: Wie sieht denn das "Besteck", das Equipment, eines so beschäftigten Allround-Bassisten wie dir aus?

!WL:Ich verwende zur Zeit hauptsächlich Sadowsky 4- und 5-String Bässe und einen modifizierten Yamaha BB 5-String. Das Bass-Signal schickt ich immer zunächst durch einen Tube-Tech Mikrophonverstärker. Ich verwende ihn also quasi als D.I. Box. Zur Zeit experimentiere ich mit einem frühsechziger Altec Kompressor, einem Gerät das schon Paul McCartney seinerzeit im Studio verwendete. McCartney spielte übrigens niemals direkt ins Pult. Er stellte immer ein Röhrenmikrophon, 6 Fuß von der Box entfernt, in den Raum. Dieses Signal lief dann über den besagten Altec Kompressor ins Pult. Ich habe auf diese Weise mit einem Rhode (Röhrenmikro) gearbeitet und es funktioniert hervorragend. Der Schall ist einfach sehr schnell, die Entfernung zum Speaker ist also nicht relevant für die Time auf Band.

?PG: Vielen Dank für das nette Gespräch. Hast du abschließend noch einen kleinen Tipp für die Planet Guitar-Gemeinde auf Lager?

!WL: Never practice, just play as much as you can, but never practice…! And one final message to the world: If there is anybody out there who makes a neck, that doesn´t buzz - call me!

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