Interview mit Anger 77von Hansi Tietgen Fans wissen es- Anger 77 ist kein verschlüsseltes Statement, sondern schlicht und ergreifend, die Adresse des alten Proberaums der vier Jungs aus Erfurt. So kann's gehen! Hansi Tietgen traf Kocher, den Gitarristen der Band, in der Turbinenhalle Oberhausen und sprach mit ihm über Spanien, Studios und das aktuelle Album Keine Angst. ÜBRIGENS: Während des Interviews gesellte sich dann auch noch Ludwig, Anger's zweiter Gitarrist dazu. Die Spieltipps, die die beiden Saitenbediener uns exklusiv für dich mitgegeben haben, werden wir in den nächsten Wochen in einem Gitarrenpower-Made In Germany Special, veröffentlichen ! ?PG: Ich habe in eurem Info gelesen, dass ihr die Vorproduktion eures aktuellen Albums Keine Angst in Spanien gemacht habt. Wie ist es eigentlich dazu gekommen und wie genau ist die Sache abgelaufen? !Kocher: Wir wollten einfach mal aus unserem gewohnten Umfeld ausbrechen, um so neue kreative Energien zu wecken. Das hört sich jetzt zwar ziemlich abgehoben an, ist es aber nicht. Die ganze Aktion war mehr eine Art Ferien-Camp. Wir packten einen Kleinbus mit Equipment voll und fuhren los. In Spanien angekommen mieteten wir uns in einem Haus ein, das eine sehr schöne, verglaste Terrasse hatte. Diesen wunderbaren Platz nahmen dann umgehend wir Musiker in Beschlag und machten ihn zu unserem grossen Aufnahmeraum. Hier gingen später alle Sessions ab. Wir haben jede Idee abkribisch mitgeschnitten, in Form gebracht und uns so langsam an die Songs herangetastet. ?PG: Kannst du beschreiben in welcher Form sich die Tatsache, dass ihr fern ab von allem Gewohnten gearbeitet habt, auf eure Musik und eure Stimmung ausgewirkt hat? !Kocher: Grundsätzlich kann ich solche gemeinsamen Aktionen, weit ab von allem Alltag, jeder Band wirklich nur empfehlen. Die Sache war ziemlich angenehm. Das fing schon beim Wetter an. Es war Herbst und in Deutschland, wurde langsam alles trist und grau. Auf unserer lichten Terrasse in Spanien hatten wir das Gefühl, einen vorgezogenen Frühling zu erleben. Die ganze Band war super entspannt und locker. Wenn uns mal wirklich nichts eingefallen ist, haben wir uns einfach raus in die Sonne gesetzt und uns unterhalten, gelesen, oder einfach nur die Ruhe genossen. Aus einer solchen Stimmung heraus, lässt sich ganz hervorragend Musik machen, denn der Kreativ-Druck, dem man in solchen Produktionssituationen normalerweise häufig ausgesetzt ist, fehlte hier gänzlich. Coole Sache! ?PG: Aber eure Produktion hatte noch einige weitere Stationen. Warum habt ihr eigentlich in so vielen verschiedenen Studios aufgenommen? !Kocher: Eigentlich war das die Idee unseres Produzenten. Wir haben die einzelnen Phasen der Produktion, auf verschiedene Studios verteilt. In Spanien holten wir uns unsere Inspirationen, in Pauls's (Grau/Produzent) Studio haben wir gearbeitet und an den Songs gefeilt und im Dierks Studio in Pulheim, wurden Drums und Bass aufgenommen. ?PG: Gemischt hat Roland Prent, der meines Wissens nach auch bei einigen der Such A Surge-Sachen faderführend war. Wie ist diese Connection zustande gekommen? !Kocher: Das lief auch über Paul. Er arbeitet sehr häufig mit Ronald. Gerade bei der Mischerei sollte man richtig gute Leute am Start haben. Da kann ziemlich viel schiefgehen. Wir waren sehr froh, dass wir die beiden hinterm Pult sitzen hatten. Das Album klingt sehr gut und hat außerdem einen ziemlich eigenständigen Charakter eine Tatsache, auf die wir während der Produktion viel Wert gelegt haben ?PG: Ihr habt ja auch richtig was aufgefahren. Die Streicher in einigen eurer Songs, sind wirklich fett. Sie wurden von Christian Decker , dem Bassisten von Fury In The Slaughterhouse arrangiert. Ihr seit überhaupt recht eng mit Fury befreundet. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt? !Kocher: In unserer Heimatstadt Erfurt wurden an den Wochenenden regelmäßig sogenannte Penne-Feten veranstaltet. Das waren Partys, die von Schülern für Schüler organisiert wurden. Auf diesen Feten spielten immer auch zwei bis drei Schülerbands. Später wurde das Ganze dann etwas kommerzieller aufgezogen und man fing damit an, auch bekanntere Bands einzuladen. Eine der ersten Combos war Fury und wir hatten damals das Vergnügen ihr Vorprogramm zu bestreiten. Den Jungs hat unsere Musik sehr gut gefallen und weil sie uns nett fanden, freundeten wir uns an. Als sie ihre erste ausgedehntere Tour durch den wilden Osten planten, fragten sie uns, ob wir nicht Lust dazu hätten, das Vorprogramm zu bestreiten. Diese Aktion festigte unsere Freundschaft und nach der Tour versorgten wir Kai (Wingenfelder/Fury-Sänger) regelmäßig mit aktuellen Anger 77 Tapes. Da ihm unsere Musik immer besser gefiel, kam er schließlich auf die Idee, uns einen Deal zu besorgen. Also lud er uns ins Studio ein und produzierte in Zusammenarbeit mit Paul Grau unser erstes richtig professionelles Demo Tape. Das Band schickte er dann an die wichtigsten Companies. Wir hatten Glück und es kam tatsächlich ein Deal zustande! Dann nahm alles seinen Lauf und wir produzierten unsere erste CD Allein im Flugzeug.
?PG: Anger 77 ist eine der wenigen jüngeren deutschen Rock-Bands, die ausschließlich mit deutschen Texten arbeiten. War das schon immer so? !Kocher:Ein klares Ja!! Siggi kam seinerzeit mit der Idee auf mich zu, eine neuartige deutschsprachige Rockmusik zu kreieren. Er wollte weg von der Art und Weise wie Bands wie BAP, Grönemeyer oder Lindenberg an die Sache herangingen und es gelang ihm auch sehr schnell, eine sehr eigene Ausdruckweise in seinen Texten zu entwickelt. Aber auch musikalisch ging es gut voran und wir schafften es immer besser, Sigis Sprachakrobatik auch bandmäßig in Szene zu setzen. Trotz all unserer Bemühungen, blieb uns der große Durchbruch damals aber dennoch verwehrt. Erst als Bands wie Selig die Szene eroberten, wuchs die Akzeptanz für andersartige deutschsprachige Sounds. Trotzdem haben wir es immer vermieden, uns an diese Strömung anzubiedern. Ich glaube man kann sagen, dass sich unsere Musik eigenständig entwickelt hat. ?PG: Womit wir beim Thema wären. Kommen wir zu eurer Musik. Eure Gitarrenarrangements sind sehr dicht und interessant in Szene gesetzt. Welche Vorbilder habt ihr und welche Gitarrsten haben dich am meisten beeinflusst? !Kocher: Songwritingmäßig liegen unsere Wurzeln ganz klar in der Musik von David Bowie, U2 und The Cure. The Edge oder Robert Smith haben es geschafft, auf der Gitarre eine ganz eigene Sprache zu entwickeln. Ich stehe auf die offenen und schwebenden Sounds, die die beiden fahren. ?PG: Eure Songs basieren häufig auf sehr eingängigen Akkordfolgen. Trotzdem schafft ihr es, jedem Song durch den Einsatz interessanter Akkordvoicing seinen eigenen, ganz speziellen Charakter zu verschaffen. Wie läuft das bei euch: Legt ihr die Songs von vornherein mit euren speziellen Open-String Chords an, oder basieren die Basis-Songs auf normalen Akkorden, die ihr dann durch Herumexperimentieren auf eine andere soundmäßige Ebene bringt? !Kocher: Es gibt beide Wege. Ich spiele sehr häufig mit einem Open G-Tuning und habe sogar, ganz Keith Richards-mäßig, die sechste Saite abmontiert. Ludwig ist eher unser Dropped-D Experte. Wenn wir mit solchen Tuning-Varianten komponieren, kommen sehr häufig rifforientierte Songparts dabei heraus. Wir setzten uns in solchen Fällen über konventionelle Greifweisen hinweg und gehen die Sache eher über das Gehör an. Was gut klingt, muss auch gut sein!! Der zweite Weg ist anders, denn einige unserer Songs haben wir auch auf normalen Akustik-Gitarren, mit entsprechenden Standard-Akkorden geschrieben. In solchen Fällen teilen Ludwig und ich uns den Job. Einer spielt die Chords als Fundament, der andere Arpeggien, die meistens auf ganz normalen Dreiklängen basieren. Gerade in Refrains greifen wir sehr häufig auf diese Spielweise zurück.
?PG: Kommen wir zur Frage der Fragen. Wie sieht es mit eurem Equipment aus? Welche Amps und Gitarren verwendet ihr? !Kocher: Ich spiele einen Reußenzehn Reu-O-Grande in Verbindung mit einer Marshall-Box. Außerdem verwende ich noch ein paar Tretminen, namentlich einige Verzerrer und ein Delay. Meine Hauptgitarre ist eine Tele und natürlich meine Les Paul. ?PG: In dem Song Engel habt ihr einen Tremoloeffekt zum Einsatz gebracht. Was war das für ein Teil? !Kocher: Auf der Demo-Version habe ich ein Schaller Tremolo benutzt. Im Studio hat Paul dann irgendeinen 19" Effekt aktiviert. Ich glaube es war ein Limiter. ?PG: Der Tremoloeffekt ist rhythmisch In Time. Habt ihr solange rumprobiert, bis der Effekt timingmäßig gepasst hat? !Kocher: Im Studio war die Sache ganz einfach. Den Limiter konnte man relativ problemlos an das Tempo des Songs angleichen. Live verzichten wir auf den Tremolo-Effekt. Das Ganze ist uns zu kompliziert. Wir wollen auf der Bühne so technikunabhängig wie eben möglich sein. ?PG: Planet-Guitar ist ein Online Magazin. Wie beurteilst du den Einfluss des Internets, auf die Entwicklung der Musikszene? !Kocher: Für mich hat das Internet ganz klar den Vorteil, dass junge Bands ihre Musik veröffentlichen können, ohne einen Deal mit einer Plattenfirma haben zu müssen. Trotzdem streben die meisten Bands mit ihrem Intenetauftritt den konventionellen Deal mit einer Company an. Hier läuft halt nach wie vor am meisten und das hat nicht zuletzt auch was mit Geld zu tun. Als Band musst du schließlich auch von irgendetwas leben und die Präsenz im Netz kann einem da im Augenblick sicher nur bedingt weiterhelfen.
?PG: Was hältst du von Napster und Konsorten?! Dieses Forum hat ja mittlerweile eine ziemliche Macht. Das sieht man schon daran, dass sich sogar ein Tom Morello (RATM) mittlerweile für seine negativen Statements gegenüber der Online-Community entschuldigen mußte und als Geste der Versöhnung, einige neue Songs kostenlos ins Netz stellte! !Kocher: Ich finde die Napster-User sehen das nicht global genug. Klar ist es eine coole Sache, wenn man umsonst an die Songs seiner Lieblingsbands rankommt. Grosse Combos wie Metallica oder wegen mir Rage Against The Machine wird das sicher nicht in den Ruin treiben. Aber gerade kleineren Band, wie zum Beispiel uns, kann der Verlust durch napsterähnliche Internet-Gemeinden schon mehr oder weniger den Hals brechen. Auf die Dauer gesehen, ist so keinem geholfen. Da muß noch einiges getan werden! ?PG: Okay Kocher, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei eurem Gig heute abend. DEMNÄCHST: Die beiden ANGER 77-Gitarreros Ludwig und Kocher, haben uns einige sehr interessante Spieltipps und Trix mit auf den Weg gegeben, die wir dir wie eben schon angekündigt demnächst in einem Special vorstellen werden! |
|
||||||||||||||||||||